Spielzeit 26.08. - 09.10.
  • Raum für Literatur

Raum für Literatur

Die Literatur braucht einen Raum. Für die künstlerische Gestaltung sind in diesem Jahr die Studenten der Bühnenraumklasse von Prof. Raimund Bauer der Hochschule für bildende Künste Hamburg verantwortlich. Ausgegangen sind die Studenten von zwei räumlichen Grundfragen: Wie kann sich der Raum für Literatur zur Architektur der Jahrhunderthalle verhalten? Und wie kann das Verhältnis von Lesendem und Zuhörerschaft ausgelotet werden? Die Architektur der Jahrhunderthalle, eine ehemalige Gaskraftzentrale, besticht durch Größe, Höhe und Funktionalität. Dieser baulichen Kraft wollen die Studenten etwas entgegensetzen: sie entscheiden sich für Leichtigkeit, Farbe und Helligkeit. Von besonderer Bedeutung ist in allen Entwürfen die Berücksichtigung des Oberlichts in der Jahrhunderthalle. Da die meisten Lesungen tagsüber stattfinden, sind alle Modelle von einem spielerischen Umgang mit dem natürlichen Licht und der eigenen Materialität beeinflusst.

Das Verhältnis von Lesendem und Zuhörer wird in allen Entwürfen sehr unterschiedlich umgesetzt. Der Vortragende wird mal zum Mittelpunkt einer räumlich um ihn platzierten Hörerschaft, mal wird eine gemeinsame Ebene unter einem verbindenden Dach geschaffen, mal werden Vorleser und Zuhörer im räumlichen Verhältnis zur Installation positioniert. In Bezug auf die beiden inhaltlichen Aspekte - Literatur und Islam - wählen die Studenten das Mittel der geometrischen Form: Jedes Modell beinhaltet geometrische Anleihen an die Ornamentik islamischer Kunst, mit denen sowohl auf das Skulpturale als auch auf die Bildhaftigkeit islamischer Schrift verwiesen wird.

Das realisierte Modell

Ein Modell wurde aus den vier Entwürfen ausgewählt und umgesetzt. Es war keine leichte Entscheidung - abgewägt wurden die Umsetzbarkeit, Finanzierbarkeit und Arbeitsaufwand. Die Studenten der HfbK waren an der Umsetzung und Realisierung beteiligt, vor Ort haben sie wesentlich die Einrichtung und Montage übernommen.

Gehalten von einer Aluminium-Platte hängen 461 Farbfilterröhren in drei unterschiedlichen Stärken in den Farben grün und weiß senkrecht nebeneinander. Sie ergeben aus der Entfernung ein luftiges Ornament, die Sicht von unten durch die Röhren bietet einen kaleidoskopartigen Blick in die Höhe der Jahrhunderthalle. Ausgangsmotiv für das Modell waren traditionelle islamische Mosaikteppiche, die erst durch die Zusammensetzung vieler kleiner Teile ein ganzes Bild ergeben. Die Röhren bilden nicht nur durch ihre Anordnung ein Ornament, vielmehr erzeugen sie gleichzeitig durch den Lichteinfall ein weiteres Abbild auf dem Boden der Jahrhunderthalle. Ein Bild erzeugt ein Bild. Mit dieser Herangehensweise befindet sich der Entwurf in der Tradition islamischer Kunst, Geometrie als eigenständige Kunstform zu sehen. Der Bildwissenschaftler Hans Belting spricht hier von „dargestellter Geometrie": Der Blick des Zuschauers wird durch die geometrische Form nicht in eine sinnliche Perspektive gelenkt, sondern erfasst die Form selbst als Bild. Durch dieses Röhrenmosaik wird zugleich das einfallende Licht als symbolische Form eingefangen und inszeniert.

Studiengang „Bühnenraum“

Die Bühnenraumstudenten entwickeln in ihrem Studium Bühnenbildentwürfe und deren Umsetzung, szenische Raumkonzeptionen und Performances, Rauminstallationen und freie Ausstellungsobjekte. Dabei erforschen sie das Verhältnis von Zeit und Raum sowie visuelle, akustische und kinetische Arbeitsfelder. Angewandte Theorie und Experimentierfreiheit sind zwei wichtige Prinzipien der Ausbildung. Regelmäßige Kooperationen mit der Theaterakademie, dem Thalia Theater und dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg bieten ihnen die Möglichkeit zur Realisierung von Entwürfen im professionellen Rahmen. Seit Mai 2010 erproben die Studenten in den freien Räumen in der Wartenau 16 ein eigenes Ausstellungskonzept, zwischen bildenden und darstellenden Künsten.