RuhrTriennale
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Pressestimmen

Puur

Salzburg, Premiere am 29. Juni 2005

Süddeutsche Zeitung
Der Tanz konfrontiert Körper aus Fleisch und Blut… Genaue Phrasierung und blitzendes Reaktionsvermögen verhindern Karambolagen, egal, ob nun Stäbe durch die Luft wirbeln, Steine aus Säcken auf die Bühne kollern, Tänzer unter sirrenden Schnüren oder schnarrenden Stangen durchtauchen. Der belgische Choreograph Wim Vandekeybus hat inzwischen seine Technik, die tänzerische Attacke mit dem Filmbild zu kombinieren, atemberaubend perfektioniert.

Salzburger Nachrichten
"Puur" (flämisch für "pur"), uraufgeführt Ende Mai in Singapur, als zweite Station in Salzburg zu Gast, gerät Wim Vandekeybus zu seinem bisher düstersten Stück. Intensiviert hat Vandekeybus die Verschränkung von Bühnengeschehen mit Filmsequenzen. Wie ein Echo reagiert die Live-Aktion auf die Filme… Alle Bewegungen sind mörderisch wild, animalisch bisweilen. Wieder gibt es Anleihen beim Kampfsport und tierische Bewegungsmuster, die von höchster Energie geladen aufeinanderprallen. Es wird auf Sekunde und Zentimeter genau getanzt… Nur Schweigen wird der Verstörung durch diesen dunklen, bedrückenden, unerträglich ergreifenden Theaterabend gerecht.

Shadowtime

Münchener Biennale, Uraufführung am 25. Mai 2004

Süddeutsche Zeitung (27. Mai 2004)
Hat sich der Hörer erst einmal davon verabschiedet, es mit einem griffigen „Plot“ zu tun zu haben, wie ihn Romane, Filme, auch Opern zeitgeistig am besten haben sollen, um „verstanden“ zu werden, kann er, befreit von allen Erwartungen und Absichten, sich einlassen auf Hör-Abenteuer einer Musik der kunstvollsten Komplexität. Die Oper Brian Ferneyhoughs ist ein Höhepunkt moderner Opernkunst, und die bisher größte Koproduktion der Biennale. Aufführungen in London, Paris, New York, bei der Ruhrtriennale sind gebucht. Ein traumhaftes Finale für das Münchener Musiktheater-Festival.

Die Welt (28. Mai 2004)
Der Höhepunkt der Biennale im Prinzregententheater war zum Abschluss dann ein von vornherein gesetzter: Brian Ferneyhoughs erste Oper. …unfassbar überwältigendes Theater… Chorfugen und madrigaleske Formen, ein Kammerkonzert für Gitarre und Orchester, ein Melodram für einen sprechenden Pianisten. Man kann sich alle Teile einzeln aufgeführt denken (was partiell auch schon geschehen ist), doch wundersamer Weise fließen sie zusammen und bilden als einzelne Zellen eine konsumierbare Struktur. Beim einmaligen Sehen (und Hören) ist "Shadowtime" kaum in Gänze zu fassen; doch die Anteilnahme am Ende eines großen Geistes rührt gewaltig.

Die Zeit (3. Juni 2004)
In Ferneyhoughs Kompositionen muss alles furchtbar schnell gehen und immer aberwitzig viel gleichzeitig passieren. Die Intervallsprünge greifen extrem weit aus, ständig variiert das Metrum. Die notierten Rhythmen sind schier irrational… was die Leistungen der Ausführenden um den Dirigenten Jurjen Hempel und die Neuen Vocalsolisten Stuttgart angeht - Unglaubliches haben sie vollbracht.

Seltsame Sache

Gebläsehalle, Landschaftspark Duisburg-Nord, Premiere am 8. September 2005

Tagesspiegel
Thomas Hampson ist Lorenzo da Ponte: Der amerikanische Weltstar, der gerade erst in der Salzburger „Traviata“ neben Anna Netrebko zu erleben war, macht mit bei einem kauzigen, verschrobenen szenischen Liederabend über den Mozart-Librettisten… Das Publikum sitzt dabei quasi auf der Hinterbühne, beobachtet Hampson, wie er nach einem Konzert duscht, in seine Adiletten schlüpft – und dann monologisierend zum Italiener wird. Dann spaltet sich die Persönlichkeit… Ein Abend, der noch lange nachklingt.

NRZ
Ein Melodram über Lorenzo Da Ponte, eine berührende Annäherung an diese Gestalt mit ihrem geradezu ungeheuren Theater-Instinkt… Es sind Reflexionen eines bewegten Lebens, kunstvoll verknüpfte, fiktive Erinnerungen und verwegene Blicke in die Zukunft. Eine intelligente Triennale-Produktion, die… von der überragenden Kunst des Meistersingers Thomas Hampson lebt. Begeisterter Beifall für alle Mitwirkenden.

FAZ
Daßer in seinem nächsten Leben ein berühmter Sänger werden würde, habe ihm seine Frau Nancy, so berichtet Da Ponte in seiner Autobiographie, an ihrem Totenbett prophezeit: Stichwort für Thomas Hampson, sich die Rolle selbst zuzumuten, und so singt er nicht nur schön und ergreifend und wunderbar klar Arien von Mozart, aber auch Lieder von Schumann und Schubert, Wagner, Mahler und Olivier Messiaen, sondern schauspielert dazu.

Das Märchen vom Schwamm

Jahrhunderthalle Bochum, Premiere am 10. September 2005

NRZ
Da findet sich ein ausgelaugter Schwamm … im "Land der ungeschriebenen Märchen" zwischen lauter unvermittelbaren Karteileichen wieder: Die Muschel war zu verklemmt, das Streichholz irgendwie ausgebrannt, die Maus zu fett. Und wie sie nun alle ihr Schicksal in die Hand nehmen, zeigt Regiseur Nicolai Sykosch auf Stephan Prattes kulissenzaubernder Großbühne mit naseweisem Großjungen-Witz und einem fabelhaft-vielseitigen Ensemble. Nach 90 pausenlosen Minuten haben sie Elke Schuch einen Ehrenplatz in Andersens goldgefasster Jubiläumsausgabe erspielt. Aber darin will sie, genau wie der Schwamm, vermutlich gar nicht stehen.

Süddeutsche Zeitung
Erstaunlich, wie stringent diese Adaption, von Nicolai Sykosch inszeniert, mit ganz offen präsentierten Mitteln in die phantastischen Welten Hans Christian Andersens vordringt… Andersen hat einmal gesagt: „Ich greife eine Idee auf, die für Ältere gedacht ist - und erzähle sie dann den Kindern" so, dass darüber der Verstand der Erwachsenen nicht zu kurz kommt. In diesem Geist funktioniert die Uraufführung des „Märchens vom Schwamm": Sie macht mit Witz und Dollerei allen Spaß.

Westfälische Rundschau
Mit mehreren "Hau-Ruck"-Zügen an einem Seil bringen die Kinder die Sieben Berge zum Einsturz, die Stephan Prattes aus mehreren hundert Pappkartons geschaffen hat. Und als eine Riesen-Welle über die Bühne schwappt, müssen alle Kinder die Arme ganz weit nach oben nehmen, um den fließenden blauen Stoff weiter zu transportieren. Ausstatter Stephan Prattes und Regisseur Nicolai Sykosch geben ein Musterbeispiel dafür, wie Kindertheater sein soll: phantasievoll, überraschend, interaktiv.


Die Tiefe des Raumes

Jahrhunderthalle Bochum, Premiere am 11. September 2005

Die Welt
Der Chor läßt wie ein Fanblock Schals und Mützen fliegen, Steven Sloane dirigiert die Bochumer Symphoniker mit vibrierender Energie und hält die bei aller Direktheit komplexe Partitur souverän zusammen. Die Gags kommen an, Fußball und Kunst vertragen sich an diesem Abend in der Bochumer Jahrhunderthalle gut.

WAZ
"Die Tiefe des Raums" heißt das neue, in Bochum gefeierte Oratorium… Das ist mal nachdenklich, mal lustig, zumal die Schauspieler wirklich wissen, wen sie darstellen und besonders die Sängerinnen mit Bravour Grandioses leisten. Und zum Schluss verrate ich mein Lieblingszitat…: "Nichts ist scheißer als Platz zwei." Stellen Sie sich das mal gesungen vor!

NRZ
Von den drei exzellenten Erzählern lebt das Stück ebenso wie von der raffinierten musikalischen Montage- und Zitattechnik des Komponisten, der sich sein Material aus einigen Jahrhunderten Musikgeschichte zusammengesucht hat. Gekonnt koppelt er barocke Oratorienmittel mit stilistischen Anklängen von Wagner bis Weill und Ligeti und fächert die schönsten Hohlphrasen in Bachschem Fugato auf.

Spiegel online
In der Bochumer Jahrhunderthalle mit ihrem Ambiente aus ehemaliger Zechenumgebung und modischer Backstein-Architektur war dieser Schulterschluss aus Hoch- und Massenkultur denn auch blendend platziert. Das generationenübergreifende Publikum kam im Anzug und schickem Kleid, aber auch Fan-Monturen wurden gesichtet, der knallige Borussia-Dortmund-Schal zum kleinen Schwarzen einte Bildungsbürger-Outfit mit Ostkurven-Design. Keine Frage, dieses Oratorium wurde am rechten Ort angepfiffen.

Süddeutsche Zeitung
In großer Besetzung haben die Bochumer Symphoniker mit ihrem Cheftrainer Steven Sloane Position bezogen. Ein Akkordeon orgelt Kinderlieder, im Schlagzeug knattern die Ratschen, schmerzen die Trillerpfeifen, tröten die Nebelhörner der Tifosi. Bisweilen scheppert ein Cembalo ironisch dazwischen - als Anspielung auf die barocke Dimension des Oratoriums. Neben Tangos, Märschen und Schlagern (“Wuppertal und Schalke bricht, aber unsere Eintracht nicht") vernimmt man immer wieder Concerti, virtuos rasende Fugen, Ostinati in Bachscher Art. Die „Tugend" (Claudia Barainsky) und das „Laster" (Ursula Hesse von den Steinen), allegorische Anleihen des römischen Oratoriums, pokern um die Seele eines jungen Fußballers. Manchmal klingt das Gegröle der Fans unversehens nach einem Turba-Chor aus der Matthäus-Passion. Und wenn die Barainsky in ihrer Koloraturarie „Trappatonis Verklärung" das legendäre „Ich habe fertig" in höchster Lage flötet, ist marianische Sinnlichkeit nicht mehr fern.

Steine und Herzen

Kraftzentrale, Landschaftspark Duisburg-Nord, Premiere am 2. September 2005

Westfälischer Anzeiger
Das Werk löst auf grandiose Weise das Programm ein, das Intendant Jürgen Flimm ausrief: Die Romantik… Wie sich da die Motive wundersam durchweben. Da singt Hans-Michael Rehberg als Einstimmung einen berührenden Barock-Hymnus an die Vergänglichkeit, der an Paul Gerhardt erinnert. Da bricht in die Versammlung der Geologischen Gesellschaft der Spökenkieker Niccussi ein und umflattert Nektarines Frau vampirgleich, bis ihr Hexenwesen ausbricht. Da gibt es eine imposante Verbrennungs-, Rettungs- und Beerdigungsszene. Drei tot herumgeisternde Bergsteiger haben einige ausgesprochen komische Szenen und einen hinreißenden Song.

Westfälische Rundschau
"Steine und Herzen" bietet sinnliches Theater. Man sieht opulente Szenen-Tableaus und große Posen. Munter wie glitzernde Gebirgsbäche sprudeln manche Dialoge. Etliche Gruppenszenen des Bergvolks geraten zu gravitätischen Prozessionen… Die Musik wird dargeboten von der aparten "Musicabanda Franui": Die Skala dieser postmodernen Schöpfung reicht vom leisen, volksliedhaften Ton über operettenhafte Einsprengsel bis zu Anklängen an große Oper.

Welt am Sonntag
Sven-Eric Bechtolf führt dem betagten Schauerdrama neue Nahrung zu. Ungeniert läßt er Geister erscheinen, läßt Teufels- und Hexenspuk wirken. Er mischt Wissenschaftstheorie, die Freiheit der Aufklärung, finsteren Aberglauben und heilige Einfalt mit historischer Wahrheit und Spekulation. "Steine und Herzen" sind bis zum Bersten gefüllt mit Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung.

Das Eis

Maschinenhalle Zeche Zweckel Gladbeck, Premiere am 26. August 2005

Süddeutsche Zeitung
Alvis Hermanis lässt sein atmosphärisch dichtes Theater aus dem Geist einer Leseprobe erstehen, in lässigen Spielszenen, die wie aus dem Stegreif erfunden wirken… In eine wirklich neue Dimension der Gegenwarts- und Geschichtsbetrachtung führt die Installation, die der Regisseur mit der lettischen Künstlerin Monika Pormale als Kommentar zur Aufführung in den Hallenräumen geschaffen hat: eine Wanderung ins wunde, von tiefen Bassfrequenzen vibrierende Herz dieser Inszenierung - mit Bergleuten, Schläfern und sich umarmenden Paaren als lebenden Ausstellungsstücken. Eine Hallen- und Sehnsuchtsarchäologie.

Westfälische Rundschau
"Das Eis" ist modern im besten Wortsinne: Hermanis strebt in seiner Ästhetik nach Grenzüberschreitungen und vermengt Kunstformen. Er setzt dem derben Text vor Ideen überquellende Bilder entgegen und bezieht die industrielle Umgebung ein. Immer wieder arbeitet er mit Brechungen und Doppelungen, die auf eine verschobene Realität verweisen. "Das Eis" ist ein provokatives Stück über die Nähe von Liebe und Wahnsinn, Zärtlichkeit und Gewalt - und vor allem Verführbarkeit. Vier Stunden großes Theater, dass die Zuschauer bestürzt und voller Fragen entlässt.

Westfälischer Anzeiger
Das Ensemble berührt mit seinem unaufdringlichen Spiel und die Lesung, die szenischen Darstellungen und die Bilder fügen sich zu einer bestechenden Kreation zusammen, die vor der Kulisse der alten Maschinenhalle umso mehr beeindruckt.

Das Trojanische Boot

Jahrhunderthalle Bochum, Premiere am 29. August 2005

FAZ
Es sollte ein Experiment sein. Es wurde ein Triumph des Brüllens. Das Publikum lachte Tränen der Rührung und brachte begeisterungstrampelnd die in der Bochumer Jahrhunderthalle aufgestellten Zuschauerpodeste ins Schwanken. Die Musik, vertreten durch sieben Blasmusiker aus Wien, glitzerte, flüsterte, höhnte und dröhnte und schoß phantastisch ins Kraut in einem großangelegten, genialen Meisterdiebstahl, der sich durch einige hundert Jahre Musikgeschichte fräste und überall nur die schönsten Stellen klaute und verdrehte: Von Bizet bis Beethoven, von Udo Jürgens bis Ennio Morricone, von der lustigen Witwe bis zu Winnetou. Und die alte Wasserleiche Operette stand wieder auf und wandelte, ein quietschvergnügtes, zugleich tieftrauriges Gespenst, mit einer langen Schleppe aus Posaunenschluchzern und Fugen-Gewirk, mit einem bestickten Leibchen aus Lamentofiguren und Tubatrillern und einem blitzenden Krönchen aus Trompetenblech.

Süddeutsche Zeitung
Mnozil Brass hat die anarchische Spontaneität ihrer Darbietungen so perfektioniert, dass sie an Vielseitigkeit allen amerikanischen Blechbläsersembles den Rang ablaufen. Denn man versteht nicht nur zu blasen, sondern sich auch in Szene zu setzen. Dabei ist die Mischung der Physiognomien so atemberaubend wie die stilistische Bandbreite. Gartenschläuche heulen auf, aus einer Jackentasche wird unerwartet eine Blockflöte gezogen und mit der Nase geblasen. Im Hurrikan dieser ekstatischen Blaselust wirbeln die Anspielungen durcheinander: Johann Strauß und sein "Zigeunerbaron", Richard Strauss und sein “Till Eulenspiegel", Wagner, Weill, Ernst Mosch und John Williams - es schwirrt einem der Kopf vor lauter Tempo und Temperament.

WAZ
Die Blechbläser, die auch außerhalb ihres ohnehin schon erlesenen Kreises einen guten Namen haben, spielen technisch und körperlich ohne Grenzen. Sie können ungeheuer viel, brillieren auf dem Alphorn oder auf dem schlichten Schlauch, servieren mit Posaunen und Trompeten und einer herzergreifenden Tuba schmetternde Fanfaren und schräge Töne. Und mitten im satten Sound des Blechs tönt unerwartet eine helle Blockflöte gar liebreizend… Dass die sieben Mnozil-Herren auch noch singen, macht sie endgültig zu vielseitigen Musikclowns. Die Triennale hat ihre Commedia.

Westfälische Rundschau
"Das trojanische Boot" ist vor allem ein Mordsspaß. Da artikuliert jeder sich, wie´s ihm gebührt - die tumben Krieger in den einfachen Strukturen von modernen Musical-Songs, die Musenmänner in komplizierteren Tonfolgen, die an Weill erinnern. Und die schöne Fremde (natürlich auch ein Kerl) hebt gar zur Opernarie an: "Oh, was hab ich angerichtet?" Etwas ganz Wunderbares, das sei versichert. Das Publikum dankte es mit stehenden Ovationen.

Westdeutsche Zeitung
Nun erklingt, man glaubt es nicht, Kriegsgeheul und eine große Fuge, wird das "Dies irae" intoniert, schaut Kurt Weill um die Ecke. Ein gregorianischer Choral mahnt, Jazz fetzt, Udo Jürgens feixt. Dann ein Plattler und der große bayerische Defiliermarsch. Selbst Stevie Wonder fehlt nicht. Dies zu einem bestechenden zweistündigen Gesamtarrangement zu komponieren, nie langweilig oder kitschig, verdient ein Meisterwerk genannt zu werden.

Westfälischer Anzeiger
Ein lustvolles Spektakel über Geschlechterrollen, den Krieg, die Kunst und das Leben voller Witz und Musik.

Der Spiegel
Das famose Septett bläst seiner Kundschaft, vom abgrundtiefen Subkontra-Ges der Tuba bis zum viergestrichenen C im schrillen Trompeten-Geschmetter, über fast sieben Oktaven nicht nur den Marsch, sondern auch Walzer und Pop, fetzigen Swing und alpenländisches Dumdideldei - mal volle Röhre, mal schmusig gedämpft, allemal mit Charme, Eleganz und grandioser Fertigkeit. Kaum zu fassen, dass diese Instrumente, sonst als Quälgeister bei Schützenfesten und Beerdigungen eher in Verruf, smart wie Tenöre schmalzen und balzen können: Carusos aus Feinmetall.

Nächte unter Tage

Kokerei Zollverein Essen, Premiere am 25. August 2005

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Es ist ein eindrücklicher Parcours, den „Nächte unter Tage" durch die Mischanlage legt... Die szenischen Aktionen, minimalistisch in der Anlage, gewinnen fast emblematische Eindrücklichkeit. So findet diese Ruhrtriennale gleich zum Auftakt das Thema, das sie sich gesetzt hat: in einer Stunde der Empfindsamkeit, in der aufbrechendes Industriezeitalter und romantische Innerlichkeit zusammenklingen.

Kölner Stadtanzeiger
Es ist nicht zuletzt das Licht in der Regie von Jean Kalman, das die Räume so eindringlich erfahrbar macht. Ganz uneitel und doch fesselnd agieren darin die von Andrea Breth inszenierten Schauspieler Udo Samel und Jens Harzer, die Texte von Albert Ostermeier sprechen. Eine fesselnde Begegnung von Theater und bildender Kunst.

dpa
Für die Zuschauer ist der Weg eine Schule der Empfindsamkeit. Er sieht, was ihm vorher verborgen war, er hört die Steine sprechen: Die Kokerei warnt vor der Barbarei. Ein ernster, bedrückender Auftakt der Ruhrtriennale, eine unbestechliche, kompromisslose Arbeit auf höchstem Niveau.

Kölnische Rundschau
Man kann seinen eigenen Rhythmus wählen auf diesem faszinierenden Parcours, und manchmal ist man sogar allein: In einem rauchig-vernebelten Raum, der an Staub-Lungen denken lässt, in einem nassen Stahlröhrentunnel, an dessen Ende ein Ventilator in gespenstischem Gegenlicht rotiert. Oder in einer Sackgasse, die in einen gigantischen Schornstein führt. Was für ein Erlebnis!

Lüdenscheider Nachrichten
"Nächte unter Tage" ist eine Sammlung von Augenblicken, die im Innersten berühren. Am Ende kennt man das Ziel der fallenden Kleider. Es ist der stärkste Eindruck, und man wird diesen Raum mit einiger Überwindung betreten müssen. Musik war für die Romantiker die höchste aller Künste. "Nächte unter Tage" schließt mit einer Utopie. Doch die mystische Reise führt durch den Tod.

Patti Smith

Jahrhunderthalle Bochum, Eröffnungsfest am 20. August 2005

Der Tagesspiegel
Nach dem dritten Song explodiert das Konzert... Ihr androgynes Engelslächeln blitzt auf, ihre Stimme reißt sich los, die Band stürzt sich in einen kreischenden Galopp. Hart und charmant drückt sie dem Publikum, das sich von den Sitzen löst und zur Bühne drängt, ihr Brandzeichen auf. Man denkt: Sie wirft brennende Streichhölzer ins Dunkel, dorthin, wo eine ausgelebte, aber noch heftig brennbare Liebe sich versteckt. How Does it Feel? Wir wollen uns erheben. Because the Night Belongs to Lovers.

WAZ
Patti Smith, das bedeutet unbedingte Glaubwürdigkeit und absolute Authentizität. Sie spielt nicht - sie ist. ...ein Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird.

NRZ
Zum Auftakt der "Century of Song"-Reihe der Ruhr-Triennale präsentierte sich die 58-jährige Leitwölfin ganzer Rock-Generationen von Punk bis Grunge am Samstag in formidabler Spiellaune. Am Ende ließ die Frau mit der aschenstaubgrauen Hexenfrisur in Bochum ein frenetisches, ja verzücktes Publikum zurück, das sich schnell einig darüber wurde, an einem Abend der Extraklasse teilgenommen zu haben.

Süddeutsche Zeitung
Unter ihrem Intendanten Jürgen Flimm hat sich die Triennale diesmal der denkwürdigen Gleichzeitigkeit von Industrialisierung und romantischer Bewegung verschrieben. Für Patti Smith, die ehemalige Fabrikarbeiterin aus New Jersey, waren die Bochumer Auftritte eine triumphale Heimkehr in die auf ihrer ersten Single besungene "Piss Factory".

Schumann, Schubert und der Schnee

Jahrhunderthalle, Premiere am 7. Oktober 2005

Financial Times London
Ever since Gerard Mortier founded the RuhrTriennale in 2002, the festival has explored the German tradition of the Lied. This year, Intendant Jürgen Flimm has taken the concept further, with new works examining the connections between German romanticism and the industrial revolution. Hans Neunfels' Schumann, Schubert und Der Schnee is the apotheosis of that exploration, a scorchingly intelligent piece of music theatre based on a fictional encounter between the two great German song-writers. Rich, moving, funny, thoughtful and daring, this is a gem of a closing act for Flimm's first Triennale.

Süddeutsche Zeitung
Was Neuenfels mit den Liedern „treibt", ist romantischer Vollzug, Mimikry oder schlicht Kurzoper. Schumanns spanisch grundierter „Hidalgo" wird zur hinreißenden Tanzpantomime, aus der „Forelle" und Schillers „Handschuh", vollends aus Goethes „Erlkönig" entstehen charmante oder unbändige, wilde Opernsketches. Anders als Marthaler, Wittenbrink oder Kagel produziert Neuenfels seelische und soziale Bilder von den Komponisten und ihrer Kunst - kein Dokumentartheater, sondern einen Liebesakt seelischer Unruhe, der Konflikte, der schwärmerischen Erinnerung.

WAZ
Olaf Bär, der große Bariton, zeigt die Einsamkeit im Wahn, singt Schumanns Lieder als Bekenntnisse sehr intim und verdunkelt. Diese Begegnung ist gespielte Biografie, ist gesungene Psychoanalyse, weil die Liedauswahl so punktgenau ausfällt, dass man verblüfft ist. Neuenfels schafft es, aus der kleinen Form des Liedes die große Form Lieddrama zu schaffen. Das hat nichts zu tun mit Marthalers "Müllerin". Das ist ein Musiktheater, das den Komponisten gilt. Und man ist berührt: Wie heißt´s bei Heine und Schumann? Ich hab´ im Traum geweinet. . .

NRZ
Entscheidend ist Neuenfels´ Umgang mit Raum und Zeit, in der sich die beiden seelisch so angeschlagenen Komponisten bewegen, taumelnd umkreisen, belauschen und erforschen. Es sind Schatten von Begehren, und es ist eine leise Sehnsucht nach körperlicher Nähe, die beide umtreibt. Sie antworten einander in Liedern, offenbaren ihre Charaktere darin. Ein ungewöhnlicher, hochpoetischer Abend.

Die Welt
Robert Schumann, der Zwiegespaltene zwischen bürgerlicher Künstlerexistenz mit der pianistisch pedantisch für die Haushaltskasse sorgenden Clara und der lockenden (gleichgeschlechtlichen?) Bohème der Davidsbündler, der sich das längst tote Idol Schubert erträumt, nach ihm greift - da funkelt und funkt es mehr als nur liedhaft.

Westfalenpost
Sehr geschickt stellt Neuenfels die Lieder Schuberts und Schumanns in einen dramatischen Zusammenhang. Schumann ist ein älterer Herr, der Tod und Wahnsinn längst hinter sich hat. In einer Zwischenwelt der Fantasie streitet er immer noch mit seiner Frau Clara, singt seine Lieder von Einsamkeit und Weltverlorenheit. Aus dieser Haltung reißt ihn Franz Schubert, der plötzlich auftaucht und einen musikalischen Dialog beginnt. Bei Goethes Gedicht "Über allen Gipfeln ist Ruh", das beide vertont haben, kommen sie sich näher, singen einen Augenblick lang mit einer Stimme. Das ist ein erster magischer Moment der Uraufführung.