Süddeutsche Zeitung, 24. Juli 2004
In der ersten Spielzeit 2002 füllte Mortier Zechen, Ringlokschuppen und Maschinenhallen mit jenem sperrigen Gegenwartstheater, das ihm schon in Salzburg den Ruf des Visionärs und Buhmanns bescherte. Peter Sellars, Christoph Marthaler und Johan Simons sorgten für eine weltstädtisch-existenzialistische Ästhetik, die man in den Stadttheatern der Region nicht zu sehen bekam… Und schon in der Hauptsaison 2003 gelang der Ruhrtriennale mit Patrice Chéreaus "Phèdre"-Inszenierung und Produktionen von Alain Platel, Stefan Bachmann, Jossi Wieler oder der Fura dels Baus der Durchbruch. Im Ruhrgebiet entstand nach der positiven Wende der Ruhrtriennale eine nie gekannte Festspiel-Euphorie -- ein Wir-Gefühl, das an Aufbruchsgeist glauben ließ und der Region letztlich wohl (vor Köln) den Zuschlag für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 einbrachte… Auf jeden Fall ist das Ruhrgebiet beim Antritt von Mortiers Nachfolger Jürgen Flimm ein bisschen weniger Provinz als zuvor.

Westdeutsche Zeitung, 17. Juli 2004
Was irgend Namen hatte, wirbelte eine früher von Kohlenstaub verdüsterte (Seelen-)Landschaft auf: Große Theaterproduktionen nahmen hier ihren Ausgang, wie Alain Platels "Wolf", der unterdessen europaweit Preise abräumt. Raritäten wie Stefan Bachmanns achtstündiger "Seidener Schuh" nach Paul Claudel waren acht Mal ausverkauft. Spektakulär gelang etwa Sellars` "The Children of Heracles" von Euripides (am 19. September 2002!) an einem scheinbar unspektakulären Ort, dem Lichthof eines Berufskollegs in Bottrop, eine Inszenierung, die danach, aufgeladen durch höchste Aktualität, durch Europa bis nach USA reiste und zu deren Bottroper Uraufführung die New York Times einen Theaterwissenschaftler entsandte. Überhaupt hörte man plötzlich im Publikum mehr Englisch, Französisch und Niederländisch als Deutsch. Und das war herrlich so: die Welt zu Gast im Ruhrgebiet.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 24. Juli 2004
Allseits anerkannt, hochgelobt und begeistert gefeiert – so geht an diesem Samstag die erste Ruhr Triennale zu Ende… Nach erstem Zögern hat das Publikum die außerordentlichen Inszenierungen, die herausragenden Künstler als Geschenk genossen. Die Triennale hat bewiesen, dass das Anspruchsvolle sich durchsetzt, wenn man die Menschen umwirbt und ihnen Lust macht auf Ungewöhnliches, Neues. Gerard Mortier hat das getan. Er war als Gründungsintendant ein Glücksfall für die Region, sein Nachfolger Jürgen Flimm wird die Ruhr Triennale mit Geschick und Beharrlichkeit weiter in den Köpfen und Herzen verankern.

Century of Song mit Elvis Costello
FAZ, 24. Mai 2004 Elvis Costello brilliert auf der Ruhrtriennale. Es war ein Glücksfall, daß die Ruhrtriennale bei ihrem Eröffnungskonzert dem britischen Song-Sonderling vertraute. Denn was Costello in seiner Begegnung mit der Band von Bill Frisell an Atmosphären-Zauber erzielte, erfüllte leichthändig das vollmundige Versprechen des diesjährigen Triennale-Mottos „Die Wiedererrichtung des Himmels“. … Frisell knüpft aus seinen Akkord-Schwebungen und pastellfarbenen Tontupfern eine verschattete Hängematte, in denen sich dann Costellos Balladen genüßlich räkeln können… der vom Weltverächter zum Meister des Melodrams gewandelte Sänger weiß um seine Berufung. Sie darf sich zugleich als Erkenntnis der vorbildlichen Konzertreihe Century Of Song feiern: „Die dramatische Popballade gehört heute zu den bedrohten Spezies.“ So lange besessene Artenschützer wie Elvis Costello und Bill Frisell unterwegs sind, ist noch nicht alle Hoffnung vergebens.

Frankfurter Rundschau, 24. Mai 2004
Gute Ideen erschöpfen sich nie, was für den guten Song genauso gilt. Insofern ist die Reihe "Century of Song" mit Exklusivkonzerten innerhalb der RuhrTriennale ein Versprechen, das schon vergangenes Jahr die Erstausgabe imposant hielt. Keine Zeitreise, sondern Statements für den Augenblick, hier und aktuell zu füllen. Das machte der Galaabend leicht, wobei Costello den explodierenden Blues "Steel Time" dem Industrieambiente zu widmen schien, vielleicht aber nur sagen wollte, dass es mit Songs immer irgendwie weiter und doch zeitlos zugeht… Erleichterung auf höchstem Niveau.

Kölner Stadtanzeiger, 24. Mai 2004
Es war eine bewegende Aufführung aktueller Musik in industriehistorischer Umgebung: das Zusammentreffen des Songwriters Elvis Costello mit dem herausragenden Jazzgitarre-Barden Bill Frisell aus Seattle. Dies alles bei einem großen europäischen Festival, das sich deutlich zunehmender Akzeptanz der Region erfreut. Das Publikum war zufrieden, dass eine mutige Intendanz einen unprätentiösen und unterhaltsamen Abend mit höchst kunstvoll verpackten Songs genutzt hatte, um die neue Spielzeit zu eröffnen.

WAZ, 24. Mai 2004
Wie der uneitle Frisell, mit lupenreinen Klangperlen oder ins Unendliche strebenden flächigen Sounds, seinen Mitspielern kreative Räume öffnet, das ist schlicht genial. Die nutzte erst der "Chansonier" Elvis Costello für betörende Neuinterpretationen seiner eigenen Songs und dann der R&B-Gitarrist/Sänger Costello. Entscheidend beteiligt am bei aller Vertrautheit fremden, neuartigen Costello-Sound war die kongeniale Geigerin Jenny Scheinman, die zumal bei folk-rockigen Titeln wie "Butcher Boy" oder dem erst am Konzerttag mit der Frisell-Band geprobten Südstaaten-Rock "Needle Time" auf abenteuerliche Weise für Intimität und Fremdheit, Nähe und Distanziertheit sorgte. "Century of Song" bestätigte seinen Ruf internationaler Exklusivität; für die Triennale war es ein Auftakt nach Maß.
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Le Dernier Caravansérail
Rheinische Post, 10. Juni 2004
Ein Theaterereignis, ein Klassiker, der – was immer noch kommen mag – die neue Saison der Ruhrtriennale schon jetzt zum Erlebnis macht. Und das Premierenvolk? Erschöpft, erfüllt, ergriffen.

Die Welt, 11. Juni 2004
Das Stück erzählt in einer perfekten, zum Ende hin immer zwingender werdenden Short-Cuts-Dramaturgie mehrere Geschichten parallel… Die Bilder setzen sich in Sekunden immer neu zusammen. Die Darsteller stehen auf Rollwagen und werden von Kollegen bewegt. Durch diesen schlicht genialen Kunstgriff bekommt das realistische Spiel eine artifizielle Dimension, jede Szene ist zugleich ein Ballett. Nie rutscht die Aufführung in die Nähe des politischen Betroffenheitstheaters, zumal Ariane Mnouchkine erregende emotionale Wendungen inszeniert… In der Reduktion hat Ariane Mnouchkine neue Kraft gefunden.

Westfälische Rundschau, 10. Juni 2004
Was sich zunächst nach überbordendem Polit-Theater anhört, verwandeln Mnouchkine und ihre 40 Mimen in eine poetisch zarte Welt-Tragödie. Ovationen!

Westfälischer Anzeiger, 10. Juni 2004
Ein beeindruckendes szenisches Plädoyer für Toleranz, ein Aufruf zur Hilfe, der ans Herz geht. Ein Höhepunkt der RuhrTriennale.

dpa, 13. Juni 2004
Die RUHRtriennale hat mit dem Stück «Die letzte Karawanserei» des Théâtre du Soleil Maßstäbe gesetzt, an denen sich die großen europäischen Festivals in Salzburg, Avignon und Edinburgh in diesem Sommer werden messen lassen müssen.

Stuttgarter Zeitung, 14. Juni 2004
Der großen alten Theaterfrau Ariane Mnouchkine gelingt in "Le Dernier Caravansérail" zum Auftakt der Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle Bochum wieder ein Wunder: Aus authentischen Erzählungen über die modernen Odysseen unserer Zeit und all den Fakten, die wir über Asylsuchende aus den Medien kennen, zaubert sie wundersam poetische Szenen. Nüchtern im Inhalt, aber schwebend in der Form, die ihr Théâtre du Soleil dafür gefunden hat.

Financial Times, 24. Juni 2004
The performance ran from 9.30pm until 5am. I emerged bleary-eyed but exhilarated into the Bochum dawn, dazzled by Mnouchline´s technique, shaken by her compassion for the dispossessed.
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Century of Song mit Rickie Lee Jones und Vic Chesnutt
FAZ, 29. Juni 2004
… Vic Chesnutt, ein unglaublicher Musiker, trotz seiner phänomenalen Kunst hierzulande erstaunlicherweise noch eher ein Insider-Tip. Mit einem übermenschlichen Expressionswillen singt er zur etwas verzerrt eingestellten und nur mit grundlegenden Akkorden gespielten Gitarre seine Songs mit einer ins Unheimliche gewendeten Dramatik oder abgründigen Intimität, wobei ihm Wechsel zwischen normaler und Falsettstimme in einmaliger Weise zur Verfügung stehen… In der vollbesetzten, herrlich restaurierten Essener Lichtburg, einem der größten Kinosäle Europas (1200 Plätze), genoß man im roten Plüsch bei kristallklarer Beschallung einen ungewöhnlich novitätenreichen Konzertabend voller packender Begegnungen.

Westfälische Rundschau, 28. Juni 2004
Rickie Lee Jones begeistert in Essen. Gitarrist Bill Frisell, Bassist Tony Scherr und Drummer Kenny Wollesen erweisen sich in der Lichtburg als rhythmisch und klanglich exakt passendes Trio für die Songperlen der Rickie Lee Jones. Ihre eigenen Songs stehen im Mittelpunkt. Sie haben erstklassige Grooves, Melodien und gestalten in der Lichtburg zusammen mit persönlichen Texten und Sozialkritischem ein sensibles Bild einer Künstlerin, die sich bei Pop, Folk, Jazz und Blues bedient und daraus einen Abend mit großartiger Musik entstehen lässt.

Neue Westfälische, 28. Juni 2004
Rickie Lee Jones‘ einzigartige, zwischen mädchenhafter, schmeichelnder Unschuld und jähem Ausbruch pendelnde Stimme und ihr lautmalerisches, bisweilen absichtsvoll vernuscheltes Vokalisieren haben nichts an Intensität eingebüßt. Einer Entdeckung kam die erste Hälfte des gut dreistündigen Konzerts gleich. Als Chestnutt, der seit einem Autounfall 1983 an den Rollstuhl gefesselt ist, am Freitag seine einzigartig wandlungsfähige, steinerweichende Stimme erhebt, ist die Aufmerksamkeit im Saal mit Händen zu greifen. Seine Songs verströmen eine Mischung aus poetischer Kraft, tiefgründiger Inbrunst und gleichzeitig ausgepichter Ironie, die unwiderstehlich ist.

WAZ, 28. Juni 2004
Mit Spannung erwartet, atemlos genossen: Das Doppelkonzert der Songwriter-Legenden Vic Chestnutt und Rickie Lee Jones in der Essener Lichtburg erwies sich als Sternstunde der Triennale-Reihe "Century Of Song". Ergreifend, bewegend, großartig - so wie der ganze Abend, der sang- und klanglos ohne Zugabe endet. Warum auch nicht, um Mitternacht hatten Rickie Lee Jones und Vic Chesnutt endgültig ihr Innerstes nach außen gekehrt.
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Tierno Bokar
Süddeutsche Zeitung, 8. Juli 2004
Am Ende von Peter Brooks nur neunzigminütigem großen Theaterabend, der politisch brisanter ist als jedes aktuelle Stück über Bagdad und Bush, scheint es, als müssten wir erst ans Ende der Welt und unserer Kultur gelangen, um wieder einen Spiegel zu finden, in dem wir uns selbst erkennen können. Das Theater sei unser Reisegefährt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Juli 2004
Eigentlich hat die Aufführung alle Voraussetzungen für ein afrikanisches Krippenspiel, doch - und das ist ihr kleines Wunder - Peter Brook, der sie mit seinem internationalen Ensemble für die Ruhrtriennale in Duisburg zur Theaterwelt gebracht hat, macht mit seiner unprätentiösen Spielweise eine unauf­dringliche Parabel von anrührender Unmittelbarkeit daraus: In den entlegenen Auseinander­setzungen spiegelt sich der aktuelle "Clash of Civilizations", wie es in dieser szenischen Klarheit und berückenden Nähe eben nur ein Theater der extremen Reduktion vermag.

Neue Zürcher Zeitung, 8. Juli 2004
Die Geschichte (könnte) tatsächlich irgendwo auf einem Dorf in Afrika erzählt werden, nur dass die Zuschauer dann im Kreis um die Szene herumsäßen. Aber wir sitzen in der Duisburger Gebläsehalle, inmitten einer gigantischen Industrielandschaft, in der früher einmal Kohle gefördert wurde. Auch das ist Energiefluss, wenn auch anderer Art. Brook lenkt den Blick auf scheinbar oder tatsächlich Unvereinbares. Das muss man aushalten, wenn man einem großen Mystiker des Theaters begegnen will, dessen ästhetischer Rigorismus immer auch eine politische Komponente hat.

Der Tagesspiegel, Berlin, 8. Juli 2004
Es gibt keine szenischen Zuspitzungen, auch keine genialen, in ihrer Einfachheit und Suggestivität schlagenden Bilder, wie man sie etwa noch in der „Sturm“-Inszenierung von 1990 sehen konnte. Auf Brillanz muss der Besucher der Ruhrtriennale verzichten. Entschädigt wird er durch die pure Menschlichkeit einer Aufführung, die auf den ersten Blick die Naivität eines Märchens, auf den zweiten die spirituelle Weisheit einer uralten Legende besitzt.

Financial Times London, 9. Juli 2004
Tierno Bokar is timely, plunging us into a world of Islamic subtleties when the world is preoccupied with Islamic extremism. Its stately rhythms and intense visual beauty will not, if the show makes it to London, be received with much patience there; but Britain´s greatest director has, nonetheless, pulled off one of his most densely spiritual creations to date.
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La Damnation de Faust
Rheinische Post, 10. Juli 2004
Hector Berlioz’ La Damnation de Faust in der bildermächtigen Inszenierung der katalanischen Theatertruppe La Fura dels Baus wächst aus dem archaischen Industrieraum heraus wie ein Fiebertraum, als würde neues, unheimliches Leben in den stillgelegten Rohren, Ventilen und Kesseln brodeln. Grandioses Musiktheater.

WAZ, 10. Juli 2004
Das war die letzte Premiere der Ära Mortier und trotz Messiaens spektakulärem "Franziskus" gerade deshalb die stärkste, weil sich Industriekultur und Musiktheater hier wirklich miteinander vereinen. "La Damnation de Faust" in der Bochumer Jahrhunderthalle ist es das Ereignis der Saison. Der Abend bietet Welttheater in jeder Hinsicht. Gerard Mortiers Abschied konnte trefflicher nicht ausfallen. Am Ziel, gewissermaßen.

Westfalenpost, 10. Juli 2004
Eine optisch wie musikalisch überwältigende Aufführung in die Jahrhunderthalle, …ein Höhepunkt der gesamten dreijährigen Ruhrtriennale: wirklich Weltklasse.

Westfälischer Anzeiger 10. Juli 2004
Grandioses Musiktheater. Eine phantastische Reise in die Tiefen der menschlichen Seele. Bis Mitternacht betäubt diese Produktion - eine Verführung aller Sinne. Gerard Mortiers Hommage an das Ruhrgebiet ist ein Geschenk.

TAZ, 10. Juli 2004
Das Licht erlischt und donnernder Applaus breitet sich aus. 1.200 Menschen sind begeistert. Dieser Abend war das kulturelle Glanzlicht dieser Triennale-Saison. In einer Region, die in letzter Zeit wieder häufiger als Provinz gehandelt wurde. So sollte der restaurierte Industrieraum an Rhein und Ruhr auch in Zukunft bespielt werden, dann wird auch jede Kritik am Modell RuhrTriennale verstummen müssen. Denn diese Qualität steht nicht in Konkurrenz zu irgendetwas. Ganz im Gegenteil.
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