Georg Friedrich Haas

Als am 7. August 1998 die Kammeroper Nacht nach Hölderlin von Georg Friedrich Haas aufgeführt wurde, merkte die Musikwelt auf. Da gab es einen Komponisten, der, obgleich er schon weit über 30 Jahre alt war, bisher nur wenigen Spezialisten bekannt war und eine unzweifelhaft avantgardistische, mit Mikrointervallen arbeitende Musik von verführerischem sinnlichen Reiz schrieb, die an die klangliche Aura und die Ausdruckskraft romantischer Musik erinnerte. Seither hat sich Georg Friedrich Haas zu einem der prominentesten Komponisten seiner Generation entwickelt. Seine Werke werden von bekannten Interpreten und führenden Orchestern aufgeführt und erklingen bei renommierten Festivals.
Der Weg dorthin war indessen nicht einfach für den 1953 in Graz geborenen Musiker, und er selbst spricht offen über eine Zeit anhaltender Erfolglosigkeit, in der er sich unter anderem mit Lehraufträgen durchschlagen musste. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Georg Friedrich Haas in der Bergwelt Vorarlbergs. Er studierte in Graz Klavier und Komposition, unter anderem bei Gösta Neuwirth sowie bei Friedrich Cerha in Wien, der Haas maßgeblich förderte und unterstützte. Anregungen empfing Haas bei Aufenthalten bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik und 1991 bei dem bedeutenden Zentrum für elektronische Musik IRCAM in Paris. Entscheidend für seine künstlerische Entwicklung war die tief gehende und umfassende Auseinandersetzung mit der Klangwelt der Mikrointervalle, die kleiner als der Halbton der Klaviatur, aber als Teil des Ober- oder Partialtonspektrums von Natur aus gegeben sind. Georg Friedrich Haas befasste sich mit den Theorien und Werken verschiedener Komponisten, die diese Klangwelt bereits vor ihm erkundet hatten, angefangen bei den Pionieren des Komponierens mit Mikrointervallen Alois Hába und Iwan Wyschnegradsky bis zu Zeitgenossen wie James Tenney und Gérard Grisey, den Haas in Darmstadt persönlich erlebte. Sein eigener Umgang mit Mikrotönen zeichnet sich durch enorme klangliche Phantasie und Vielfalt aus. Neu und originell ist Haas' Musik dabei paradoxerweise, weil er gar nicht das radikal Neue sucht, das von aller bisherigen Musik verschieden ist, sondern sich kompositorisch in den Zonen bewegt, in denen sich die gewohnte Klangwelt und die Mikrotonalität berühren. Wenn er mit Schwebungen, Reibungen und überraschenden Obertonharmonien arbeitet, weicht er von den bekannten Zusammenklängen ab, aber so, dass die Erinnerung an sie immer noch durchscheint. Eine andere Konstante in seinem Schaffen ist das Interesse am Licht als möglicher Teil eines Werkes. So soll sein 3. Streichquartett in völliger Dunkelheit aufgeführt werden, wobei die Musiker im Raum verteilt sind und aus dem Gedächtnis spielen. Bei mehreren Kompositionen arbeitete er mit Künstlern zusammen, die für Aufführungen ein besonderes Lichtdesign entwarfen.
In den letzten Jahren hat Georg Friedrich Haas eine imponierende Reihe von Werken geschaffen. Dabei sind die Streichquartette auf sieben Kompositionen angewachsen, mehrere große Orchesterwerke und zwei Opern wurden seit 2008 uraufgeführt. Georg Friedrich Haas lehrt Komposition in Basel und Graz. Er ist Träger verschiedener Auszeichnungen, unter anderem des Großen Österreichischen Staatspreises.