RuhrTriennale
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Galerie Fotoausstellung

Porträts eines europäischen Festivals

PRAXIS CENTRAL
Willy-Brandt-Platz 4
45127 Essen
www.praxiscentral.de


Öffnungszeiten:
Mo, Di, Do 8.00 - 18.00 Uhr
Mi 8.00 - 12.00 Uhr
Fr 8.00 - 16.00 Uhr

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Vortrag zur Eröffnung am 26. April 2008

Cornelia Brüninghaus-Knubel

In den letzten sechs Jahren hat die RuhrTriennale ihr unverwechselbares Gesicht als Theater in den alten Anlagen der Montan- und Schwerindustrie entwickelt.

Mit den Aufführungen dieses Festivals haben wir unsere Industriedenkmäler neu sehen gelernt, sind ihnen näher gekommen, als es früher je möglich gewesen wäre – als diese Stätten geradezu verbotene Orte waren, geheimnisvoll und voller Gefahren für die Normalsterblichen. Die heute dort als Führer und Bewahrer des Erbes tätigen ehemaligen Arbeiter können davon ein Lied singen. Wir aber als Kultur und Kunst-Beflissene, Theaterbegeisterte, Triennale-Fans erleben nun diese Orte als unser gemeinsames Erbe, und die gewaltige Tradition der Arbeit transformiert sich in der Kombination mit künstlerischen Kreationen zu einem vielleicht ebenso gefährlichen Ort, in dem wir unser Herz an die Kunst verlieren können und zugleich einen unermesslichen Gewinn durch die Erkenntnisse und Erleuchtungen der Kunst mit nach Hause tragen können.

Auch in den Fotografien, die ab heute hier in der Praxis zu sehen sind, überträgt sich diese Faszination der besonderen Orte und der durch sie bedingten besonderen Theaterereignisse auf die Betrachter. Das hoffen die Autoren und die Veranstalter der Ausstellung. Und ich glaube, es gelingt ihnen.

Theaterfotografie ist ja ein ganz eigenes Medium. Sie hält den Augenblick fest, einen Augenblick, den der Fotograf und die Fotografin so sehen – nicht wir als das Publikum, denn wir lassen uns durch die fortlaufenden Ereignisse des Spiels und der Aufführung hinweg tragen. Die FotografInnen bannen diesen einen Augenblick auf den Film, den wir vielleicht gar nicht mehr im Einzelnen erinnern, der uns aber dennoch die Aufführung essentiell verdichtet wieder vor Augen führt.

Wenn ich zurückdenke an die vielen Jahrzehnte, in denen ich ins Theater gehe und an die Bilder von Aufführungen aus den 50er bis 70er Jahren in Zeitschriften und Programmheften, auch Büchern – so sehe ich vor allem Schauspieler-Porträts, einzeln und in Gruppen als Szenenfotos und mit dem Schwerpunkt auf Mimik und Gestik. Und das alles in schwarz-weiß.

Wunderbare Beispiele gibt es von damals z.B. von Rosemarie Clausen oder in Frankreich Thérèse Le Prat.

Heute sehen wir hier alles in Farbe, und Sie werden bemerken, dass nicht der einzelne Darsteller die Hauptrolle spielt, sondern ganz im Sinne und Geiste der Triennale: der Raum – die Szene – die Bewegung.

Wenn Sie sich die Bilder genau ansehen und auch die Beschriftungen lesen, dann werden Sie sehen, dass jeder Fotograf und jede Fotografin einen eigenen Blick hat auf die Aufführung. Bei Michael Kneffel z.B., dessen Großfoto Sie schon im Treppenhaus empfangen hat und von dem Sie noch drei weitere hier in den Fluren entdecken, spielt immer die Architektur der Halle und das Bühnenbild eine große Rolle, die er bedeutungsvoll mit dem Inhalt der Aufführung, ihrer Gestimmtheit und ihrem Charakter ins Bild setzt.

Sie können sogar spannend vergleichen: wenn er Jan Fabres »Requiem für eine Metamorphose« fotografiert, dann sieht man die Szene als schmalen Streifen unten im Bild und der größte Flächenanteil wird von der unglaublichen Jahrhunderthalle eingenommen. Ursula Kaufmann hingegen geht mit dem Objektiv ganz nah ans Geschehen, mitten in die wild-bewegte Aktion von Tänzern und Akteuren mit Pflanzen und Blumen in dieser Todessymphonie des flämischen Ausnahmekünstlers. Auch hier im Flur können Sie die Fotos zu B.A. Zimmermanns »Soldaten«  der beiden vergleichen. Dass Ursula Kaufmann das Tanztheater von Pina Bausch über Jahre begleitet hat, sieht man all ihren hier versammelten Fotos an, die Körper in Bewegung für einen Augenblick festhalten und doch den Bewegungsablauf mit seiner Dynamik sichtbar machen.

Birgit Hupfeld hat »Next Level Parzival« und »Corpus Delicti« fotografiert – zwei Schauspiel-Uraufführungen, die für die Triennale konzipiert wurden. Ich habe beide gesehen und die beiden Fotos, die hier zu sehen sind, setzen das Typische, das Charakteristische der Stücke und Inszenierungen sinnfällig ins Bild.

Von Bernd Uhlig sehen Sie zwei Ansichten der sog. Kreation »Nächte unter Tage«, in der die Regisseurin Andrea Breth mit dem Künstler Christian Boltanski zusammengearbeitet hat. Er hat zwei der ungeheuerlichsten Szenenbilder – den Lumpenberg, der durch die Schächte der Kokerei angehäuft wurde, und das schwimmende Klavier auf dem Kokereikanal so abgelichtet, dass die eigentümliche Mischung aus Trauer und harscher Realität, Romantik und Arbeitswelt wunderbar herüberkommt.

Es bleiben noch Clärchen und Mathias Baus zu nennen, die »Le vin herbé« fotografiert haben, eine Oper von Frank Martin über Tristan und Isolde, die der künftige Triennale-Intendant Willy Decker inszeniert hat. Diese beiden Kölner Fotografen, Mutter und Sohn, haben die besondere szenische Umsetzung mit dem genial einfachen aber sinnfälligen Bühnenbild in der Gebläsehalle in Duisburg-Meiderich in einem Moment bildlich erfasst, in dem das Sehnsuchts- und Verzehrungsdrama beispielhaft für die ganze Aufführung sichtbar wird.

Und schließlich sehen wir auch ein richtiges Star-Foto, das Christoph Sebastian von der Filmschauspielerin Barbara Sukowa in Gloriole mit ihrer Band im Hintergrund zeigt, aber – typisch für die Triennale – ist auch hier 2/3 des Bildes die ungeheuer hohe und riesige Jahrhunderthalle. Dennoch erscheint die Künstlerin im Lichtkegel als glanzvolles und geheimnisvolles Juwel.

Solche Juwele des Theaters festgehalten und damit erinnerungsfähig gemacht zu haben, verdanken wir den Fotografen und Fotografinnen. Anders als z.B. bei Film und Video-Aufzeichnungen geben sie uns ihren Augen-Blick, ihre Bildauswahl und projizieren so ihre Bilder in unser Gedächtnis.

Lassen Sie sich erfreuen, wenn Sie sich an gesehene Aufführungen erinnern – und für die, die noch nicht zur Triennale gegangen sind: Lassen Sie sich durch die Fotos animieren, sich in diesem Jahr etwas anzuschauen!