RuhrTriennale
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Mike Herting über die Spurensuche

Aus der Fremde lautet das Motto der Ruhrtriennale 2008 und ganz wörtlich nahm Jürgen Flimm dieses Motto, als er sich in Bezug auf Musiker fragte: Welche Künstler aus der Fremde leben hier bei uns in NRW und wie ist ihre Beziehung zu ihrer eigenen Kultur, wie ihre Auseinandersetzung mit ihren Traditionen und wie positionieren sie sich im Verhältnis zu musikalischen Traditionen in Deutschland?

Chefdramaturg Thomas Wördehoff und ich entwickelten gemeinsam das Konzept der Spurensuche und unter diesem Titel findet nun eine dreiteilige Konzertreihe in der Duisburger Gebläsehalle im Rahmen der Ruhrtriennale statt. In den drei Temperaturen Rap, Vocal und Oriental-Okzidental habe ich über 60 Musiker aus mehr als 25 Nationen zusammengerufen. Alle beteiligten Künstler werden für diese Reihe unter den Aspekten der Spurensuche, der Zusammenarbeit mit anderen Kulturen und der Beschäftigung mit der einheimischen, der deutschen Kultur spezielle Programme und Formen des gemeinsamen Musizierens entwickeln. Daher werden neben den ausländischen Musikern auch deutsche »Spurensucher« zu hören sein.

Nicht laue Weltmusik (oft unter dem Aspekt der Ausbeutung, ökonomisch wie künstlerisch) sondern Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist gefragt, ein Vergleichen, Lernen, Wiedererkennen, ein gegenseitiges sich Respektieren. So werden also in der Reihe Spurensuche nicht nur ukrainische und nigerianische, indische und marokkanische Klänge zu hören sein sondern einige der Künstler werden sich auch mit deutschem Liedgut befassen. Wie wird es klingen wenn die neun iranischen Frauen der Formation »Banu« das Volksied »Ich hab die Nacht geträumet« interpretieren, wie werden sich irakische Musiker in Zusammenarbeit mit Spezialisten für mittelalterliche Musik zu Liedern der Hildegard von Bingen anhören? Darüber hinaus wird jeder der auftretenden Künstler die Möglichkeit und die Freude haben, seine eigenen Konzerte durch die anderen Musiker zu ergänzen – ein spannendes Crossover!

Im Verlauf des Zusammenstellens der drei Konzerte ist dieser Aspekt des gegenseitigen Respekts der wichtigste gewesen. Soviele herausragende Vertreter ihrer jeweiligen Kulturen leben in NRW! Wie angenehm ist es, ihre Bereitwilligkeit und Freude zu spüren, sich aufeinander und auf das Fremde einzulassen und wie belohnend ist es, soviel Information und Insiderwissen nicht nur zu den künstlerischen sondern auch den sozialen und politischen Verhältnisse zu erfahren! Selbstverständlich wissen alle Musiker, dass sie zu einer grossen Familie gehören, die sich zurückführen läßt auf den ersten, der mit zwei Steinen einen Rhythmus erzeugt hat, auf denjenigen, der angefangen hat, Freude und Trauer auf andere Weise mit seiner Stimme auszudrücken als mit Weinen und Lachen. Auch unter diesem Aspekt soll die Reihe Spurensuche stehen, und wie in jeder Familie gibt es nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen sondern auch Auseinandersetzungen, Rivalitäten, Egos…

Ein Dank an alle Mitwirkenden für ihre großzügige Bereitschaft – sie alle gehören zu dieser Familie und erwarten mit Spannung diese drei außergewöhnlichen Konzerte!

Mike Herting

 

Spurensuche Rap

28.8.2008

Die »Afro Beat Academy« (12 Musiker aus USA / Canada / Guinea Bissau / Ghana / Nigeria / Cote d`Ivoire / Schweden / Deutschland) des nigerianischen Musikers Ade Bantu wird der backbone, das Rückgrat des ersten Abends darstellen. Bantu lebt in Köln und Nigeria und ist 2005 zum besten Act Westafrikas gewählt worden. Er ist unter anderem Gründungsmitglied der »Brothers Keepers«, in der sich viele namhafte Künstler wie Xavier Naidoo, Samy Deluxe und Gentleman musikalisch und auch sonst gegen Gewalt und Rassismus äußern. Bantu ist der Prototyp des »Afropäers«, der in seiner Musik auf exzellente Weise das Erbe Fela Kutis mit Rap und Hiphop verbindet. Mit ihm zusammen (und gegen ihn…) werden rappen:

Ade Bantu und AfrobeatBeatAcademy

Don Abi – Nigeria

Meli von Ischen Impossible und Sisters – Afro-Balkan-Deutsch…

Torch – Deutschland

Toni L – Deutschland

Mariama – Sierra Leone

DJ Grizzly Adams – Deutschland

Bektas – Türkei

General Mano – Italien

Sinuhe – Griechenland

Matthias Schriefl (trpt)

sowie weitere special guests, unter ihnen einer der besten Musiker seiner Generation und Spurensucher par excellence, der Trompeter Matthias Schriefl. Ein Abend des Schweißes und des Tanzes!


Spurensuche Vocal

29.8.2008

Aus Albanien kommt sie und ist dort ein großer Star – sie lebt in Düsseldorf! Die fantastische Sängerin Eda Zari wird mit einem speziell zusammengestellten Ensemble auftreten. Eda stammt aus einer Musikerfamilie und ist offizielle albanische Kulturbotschafterin. Sie wird ihre Spurensuche mit alten albanischen Liedern in neuem Gewand durchführen mit den Musikern

Rhani Krija, perc – Marokko

Mariana Sadovska stammt aus der Ukraine und ist eine hervorragende Vertreterin der Gattung der Spurensucher. Sie lebt in NRW (und anderswo) und sammelt und singt seit langer Zeit ukrainische »Hexenlieder« – solo  und mit eigener Band. Mariana denkt sich für diesen Abend etwas Besonderes aus – als ob sie das nötig hätte! Denn auf jeden Fall ist ein Konzert mit ihr immer eine Begegnung der dritten Art… Herausragend!

Die iranische Sängerin Maryam Akhondy wird außer ihrem neunköpfigen Frauenchor »Banu« auch Instrumentalisten ihres klassischen Ensembles »Barbad« mitbringen. Maryam ist in Teheran geboren und gilt als Virtuosin des klassischen persischen Gesangs. Sie wird an diesem Abend traditionelle persische  Volkslieder, klassische iranische Musik und (s.o.) deutsche Lieder präsentieren.

Chocolate com Laranja ist ein a capella-Quartett, bestehend aus

Rosani Reis – Brasilien

Yma América – Venezuela

Carolina Riano – Kolumbien

Christina Plein – Deutschland

Das ganze Spektrum der lateinamerikanischen Musik gehört zu ihrem Programm und man kann sich schon jetzt auf die Zusammenarbeit mit den anderen anwesenden Musikern freuen, denn so sagt Rosani: Weißt Du, bei uns ist das normal, ohne Improvisation geht gar nichts…


Spurensuche Oriental-Okzidental

30.8.2008

Norbert Rodenkirchen, Flöten, und Albrecht Maurer, gotische Geige, sind herausragende Interpreten der mittelalterlichen Musik. Sie haben sich gemeinsam mit den irakischen Musikern Saad Thamir, Gesang, Darbuka, Daf, Riq und Bassem Hawar, Djoze, auf das Abenteuer eingelassen, in einem Konzert gemeinsam Lieder von Hildegard von Bingen und klassische irakische Maquams zu interpretieren – eine absolute Premiere, die Hochspannung und musikalische Klasse verspricht. Unbedingt anhören!

Einer der größten Virtuosen auf Robab und Sarod ist der afghanische Musiker Daud Khan – er lebt in Rodenkirchen. Mit seinem Ensemble, seinem Sohn Dorran Ahmad Sadozai, Robab, sowie Yama Karim, Tabla wird er auf den außergewöhnlichen Gitarristen Paul Shigihara treffen. Auch dies eine Premiere, sicherlich ein Highlight aus Virtuosität und Musikalität.

Im letzten Jahr hat er in der Reihe Century of Song mitgewirkt und spielt nicht nur in der Band von Sting mit sondern ist einer der meistgefragten Perkussionisten überhaupt: Der marokkanische Musiker Rhani Krija. Gemeinsam mit dem indischen Meistertrommler Ramesh Shotham wird er speziell für diesen Abend ein Perkussionsensemble zusammenstellen, in dem neben dem ivoirischen Balafonspieler Ali Keita die beiden Iraner Behnam und Reza Samani mitwirken werden. Auch dieser Beitrag garantiert ein einmaliges Erlebnis, ein rhythmisches Feuerwerk zwischen Asien und Afrika.

Er ist der Vater aller Weltmusiker und hat mehr Musiker beeinflusst als jeder andere. Einer der weltbesten Altsaxophonisten und im Alter von 84 Jahren frischer und aktueller denn je ist Charlie Mariano. Seit mehr als 20 Jahren lebt er in Köln und es gibt keinen Musiker aus der Region, der ihm nicht etwas zu verdanken hätte. Er lehrt durch sein Spiel, sein Ton lässt niemanden unberührt, seine musikalische Erfahrung umfasst die ganze Welt, Orient und Okzident vereinen sich seit Jahrzehnten in seiner Person. Gemeinsam mit Mike Herting an den Keyboards sowie den Weggefährten Ramesh Shotham, Rhani Krija und Paul Shigihara wird er die Reihe Spurensuche beschließen und sicherlich wird es sich keiner der anwesenden Musiker nehmen lassen, mit ihm gemeinsam zu spielen. Ein Abschluss und eine Krönung, die der Spurensuche würdig ist, ein einmaliges Erlebnis!

Programm Spurensuche: Bitte hier klicken!