RuhrTriennale
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Soiree: Luc Bondy Lesung und Gespräch mit dem Regisseur

Vorstellung:
31. August
Beginn:
18:00
Spielstätte:
Preise:
einheitlich
5 €

Das Fest des Augenblicks

Er war die Ausnahme. Ist es bis heute geblieben. Luc Bondy gehörte zwar, historisch gesehen, zur Generation der 68er-Regisseure, war aber fünf bis zehn Jahre jünger als die anderen Recken des Theateraufbruchs und galt als eine Art Adoptivkind der damaligen Nomenklatura: Zunächst engagierten ihn Peter Palitzsch und Hans Neuenfels Mitte der 70er Jahre ans Schauspiel Frankfurt, anschließend arbeitete er zunehmend an der Berliner Schaubühne Peter Steins, wurde 1980 von Jürgen Flimm ans Schauspiel Köln geholt, Chéreau lud ihn an sein Theater nach Nanterre bei Paris ein – aber immer, so schien es, traten die führenden Kollegen jeweils in der Rolle des fürsorglichen »älteren Bruders« auf.

Die Attribute, die man dem fragilen Regiestar verlieh, waren poetisch-ephemerer Natur: Ein irrlichternder Luftgeist schien da schwerelos, eigentlich unfassbar, sein faszinierendes Wesen im deutschen Theaterleben zu treiben.

»Jedenfalls bist Du von allen Leuten, die mir begegnet sind, der, an dem mir am wenigsten eine Sterblichkeit, oder auch nur eine klägliche Erdenschwere, fühlbar wurde; kamst mir eher wie ein unschuldig-lustig-allwissender Engel vor, der eben deshalb nur noch mehr mit allen Gegebenheiten spielt und tanzt als die (wir) anderen.« Das schrieb Peter Handke vor gut 20 Jahren an den Regisseur.

Und diese Inszenierungen! Luc Bondy ist völlig undogmatisch. Jede Rechthaberei war ihm immer schon ein Gräuel. Bondy sucht immer den Widerspruch, die Überraschung, er verführt Haken schlagend, mit Humor, mit Literatur, mit seinem Theater: Nie zwingt er einer Figur seinen Standpunkt auf, schon gar nicht einem Autor. Bondy spielt mit seinen Figuren, im Wortsinn – denn weder er noch die Schauspieler wissen, wie dieses Spiel ausgehen wird. Es ist diese Offenheit, die die Erotik von Bondys Inszenierungen ausmacht, eine Lebensoffenheit, die den Zuschauern immer einen neuen Blick, selbst auf die ältesten Schlachtrösser des dramatischen Repertoires, ermöglicht. Wird sich Lear vielleicht doch noch am Ende mit seinen Töchtern versöhnen?

Bondys rasche Wechsel von Nähe zu Distanz bilden das unumgängliche Arbeitsprinzip dieses Regisseurs. Bei den Proben »bewegt er sich pausenlos zwischen dem Regiepult und der Bühne hin und her« (Michel Piccoli), sucht aber gleichzeitig immer nach Inseln der Abwechslung - das Gespräch mit einer Bekannten, den Blick auf ein Kostüm – um schließlich erfrischt und bereit zu neuer Intensität einem Satz, einer Wendung einen ungewöhnlichen Aspekt abgewinnen zu können.
Dank dieser Begabung gerät er nicht außer Mode. En vogue war er nämlich Gott sei Dank nie.

Thomas Wördehoff

Die Reihe Werk: Luc Bondy wird gefördert von der Stiftung Pro Bochum.