RuhrTriennale
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Kokerei Zollverein Essen

Produktionen

NÄCHTE UNTER TAGE

Künstlerische Leitung: Andrea Breth, Christian Boltanski, Jean Kalman

In funktionaler Anbindung an die Zentralschachtanlage Zollverein XII wurde von 1957 bis 1961 Europas größte und lange Zeit auch modernste Kokerei, die Kokerei Zollverein, im Norden von Essen erbaut. Auf einer rund vierzig Hektar großen Fläche breitet sich die Anlage mit ihren zwei großen Produktionsbereichen aus: Während die sogenannte "schwarze Seite" die Anlagen zur Verkokung von Steinkohle umfasst, befinden sich auf der "weißen Seite" die Einrichtungen zur Gewinnung der Kohlenwertstoffe (Ammoniak, Rohbenzol, Rohteer). Sie werden aus dem hoch­wertigen Gas gewonnen, das bei Verkokung der Steinkohle im Koksofen gleichsam als Neben­produkt entsteht.

Der Entwurf der Kokerei Zollverein stammt aus der Feder des Architekten Fritz Schupp, der bereits 1927 bis 1932 – damals in Zusammenarbeit mit Martin Kremmer – die Pläne für den Bau der Schachtanlage der Zeche Zollverein Schacht 12 lieferte. Schupp übernahm die schlichte Formensprache der Zechenarchitektur und konstruierte auch auf der Kokerei kubische Beton­bauten, die mit Fassaden aus Stahlfachwerk und Ziegeln verkleidet wurden.

Beliefert wurde die Kokerei u.a. von der Zeche Zollverein Schacht 12. Dabei erfolgte der Trans­port der Kohle vom Wiegeturm am Kohlenlagerplatz aus über eine Förderbandbrücke in die Mischanlage, die auch Kohle anderer Zechen (z.B. Nordstern)aufnahm. In zwölf Bunkern wurden in der Mischanlage verschiedene Kohlesorten gespeichert, um dann - auf der soge­nannten Trichterebene - zu einer für den Verkokungsprozess optimalen Kohlemischung ver­mengt zu werden. Über weitere Förderbandbrücken wurde die Kokskohlenmischung in die Kohlen­türme transportiert, um von dort aus in die Koksöfen verfüllt zu werden. In den Öfen, die sich - zu zehn Batterien zusammengefasst - über eine Länge von 800 Metern erstrecken, wurde die Steinkohle unter Luftabschluss bei über 1000° C zu Koks veredelt. Dieser hatte einen höhe­ren Brennwert als die Steinkohle und wurde im Hochofen zur Erschmelzung von Roheisen be­nötigt.

1964 verfügte die Kokerei Zollverein über eine Kapazität von 5.000 t Koks pro Tag. Aufgrund des erhöhten Bedarfs durch die Stahlindustrie wurde die Anlage Anfang der 1970er Jahre von 192 auf 304 Öfen erweitert und damit eine Produktionssteigerung auf rund 8.600 t Koks pro Tag ermöglicht. In Spitzenzeiten arbeiteten circa 1.000 Menschen auf der Kokerei.

Aufgrund der Stahlkrise und der damit einhergehenden Senkung der Koksnachfrage wurde die Kokerei Zollverein am 30. Juni 1993 stillgelegt. Ein Verkauf der Anlage nach China kam nicht zustande. Die endgültige Rettung vor dem Abriss erfolgte 1998 mit der Übertragung der Kokerei (schwarze Seite) ins Eigentum der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, die sich dem Erhalt der Industrieanlage widmet, sie sukzessive der Öffentlichkeit zugänglich macht und neue Nutzungen in den historischen Gebäuden etabliert. Ins öffentliche Blickfeld geriet die Kokerei Zollverein erstmals durch die Internationale Bauausstellung IBA Emscher Park, die 1999 mit der publikumswirksamen Ausstellung Sonne, Mond und Sterne  innerhalb von zwei Jahren 300.000 Besucher anzog. Besondere Bedeutung erlangte die Mischanlage, die als Aus­stellungsraum für Besucher erschlossen wurde: Treppen winden sich einen Kohlenbunker hinab, mächtige Wandeinschnitte und eine zusätzlich eingebaute stählerne Ebene erlauben es, von Bunker zu Bunker zu schreiten, die Dimensionen der Anlage zu erschließen und den Weg der Kohle nachzuvollziehen. Desweiteren ermöglicht ein Besucherparcours die Begehung von Bandbrücken, Koksöfen und Ofendecken.  

Im Jahr 2000 wurde die Kokerei Zollverein unter Denkmalschutz gestellt. Zusammen mit der Zeche Zollverein, die 2001 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben wurde, steht die Kokerei heute für Industriegeschichte und Strukturwandel zugleich. Projekte zeitgenössischer Kunst sowie Theaterinszenierungen tragen kontinuierlich zur Neuinterpretation der Anlage bei. Im Salzlager der Kokerei ist die Rauminstallation von Ilya und Emilia Kabakov zu sehen und  in der benachbarten Salzfabrik hat der Regisseur Schorsch Kamerun 2002 im ersten Jahr der RuhrTriennale Hanns Eislers Hollywood Elegien inszeniert.

 

Adresse:
Arendahls Wiese
45141 Essen