Zwischenzeit

Zwischenzeit wählten wir als Thema, als wir vor drei Jahren begannen,die Ruhrtriennale zu gestalten. Darin ist Skepsis gegenüber der Gegenwart und Hoffnung auf Veränderung enthalten. Zwischenzeit haben wir als Chance zur Mitgestaltung begriffen. Daran hat sich nichts geändert. Wir beschäftigen uns in diesem dritten Jahr mit Einschränkungen der Freiheit, die schleichend kommen, die aber immer deutlicher werden. Wir beschäftigen uns mit Angst als Instrument der Kontrolle und wir beschäftigen uns mit einer Verlorenheit und Ortlosigkeit vieler Menschen, die keinen sozialen Kontexten mehr angehören. Zu diesen Themen hat der Fotograf Fatih Kurceren bewegende Fotografien gestaltet. Gleichzeitig suchen Künstler*innen dieses Programms nach Chiffren eines neuen Denkens und Fühlens, nach neuen Möglichkeiten und neuen Formen des Teilens, des Zusammenlebens und der Inklusion. Dabei werden wir die außereuropäischen Perspektiven wieder stärker in den Blick nehmen.

Viele Künstler*innen aus den vergangenen zwei Jahren kommen wieder: In der Jahrhunderthalle wird der Artiste associé Christoph Marthaler ein Musiktheaterprojekt für ein großes Orchester über verschollene Menschen, die Verlorenheit und Wiederaneignung von Utopien realisieren. William Kentridge zeigt eine neue, beeindruckende Arbeit aus Bildern und Musik, in der es um das realisierte und das nicht realisierte Leben geht, um Leben, das gelebt hätte werden können, aber nicht gelebt wurde. Serge Aimé Coulibaly bringt eine Kreation über Angst und Gewalt zur Premiere, die in mehreren afrikanischen Ländern und in Europa erarbeitet wurde. Mariano Pensotti erzählt in der Uraufführung seiner neuen Kreation von korrumpierten Lebensläufen. In zwei Filmen, die wir außerdem zeigen, verfolgt Pensotti in einzelnen Episoden Menschen in Buenos Aires und in Athen, die zusammen ein Theaterpublikum sind. Die Geschichte von Unterdrückung und Energie einer jungen Frau, die Kornél Mundruczó uns zu erzählen hat, wird mit Sicherheit viele von Ihnen berühren. Der amerikanische Künstler Olu Oguibe wird ehemalige Bergarbeiter porträtieren, die südafrikanische Künstlerin Candice Breitz kreiert für die Ruhrtriennale und das Museum Folkwang eine Video-Installation über beleidigte Männer und Rechtspopulismus. Die argentinische Regisseurin Lola Arias hat ein dokumentarisches Stück mit und über jugendliche Geflüchtete entwickelt, die amerikanische Regisseurin Tina Satter erzählt die wahre Geschichte einer Whistleblowerin. Meg Stuart wird in ihrer neuen Arbeit für die Ruhrtriennale, für die Philippe Quesne das Bühnenbild gestaltet, das zu langsame und das zu schnelle Leben vergleichen. Brigitta Muntendorf und Stephanie Thiersch erproben in einer fantastischen Architektur von Sou Fujimoto eigenwillige Klang- und Bewegungskonstellationen.

Chorwerk Ruhr feiert im Rahmen der diesjährigen Ruhrtriennale mit Aufführungen von Felix Mendelssohn Bartholdys Elias in fünf verschiedenen Städten in der Region sein 20. Jubiläum. Auch die MaschinenHausMusik kehrt im dritten Jahr mit einem ungewöhnlichen Programm wieder, erweitert um zwei besondere Uraufführungen im Salzlager. Steven Sloane vereint in einem Konzert mit Gustav Mahlers 6. Sinfonie und Bernd Alois Zimmermanns Stille und Umkehr die Bochumer Symphoniker mit dem Malmö Operaorkester.

Natürlich ist auch der Third Space von raumlaborberlin wieder da und wird sich in diesem Jahr mit dem Schwerpunkt Wissen und Archive beschäftigen.

Ich wünsche Ihnen in jeder Hinsicht erweiterte Perspektiven.
Stefanie Carp
Intendantin der Ruhrtriennale 2018 2019 2020