Die Natur des Menschen

Lukas Bärfuss und Gäste

Ziemlich neurotisch, jedenfalls unausgeglichen, von einem Extrem ins andere schwankend, so lässt sich die Beziehung des Menschen zur Natur wohl am besten beschreiben. Einmal ist sie Mutter Gaia, wo alles in einem Gleichgewicht steht. Dann wieder sind ihre Gesetze nichts als eine Schule der Grausamkeit – fressen und gefressen werden. Täuschungen überall: Ländliche Regionen, die wir als natürlich empfinden, sind in Wirklichkeit biologische Wüsten. Während in städtischen Regionen wie dem Ruhrgebiet, zwischen Schloten und Brachen, Lilien blühen, Wanderfalken jagen und Gelbbauchunken quaken.

Unser Blick auf die Natur ist geprägt von Sehnsüchten und von Ängsten, und diese Projektionen sagen mehr über uns Menschen als über das Objekt der Betrachtung aus. Doch im 21. Jahrhundert und im Angesicht der drohenden Klimakatastrophe tut Reflexion Not. Unsere Gesellschaft muss zu einem neuen Verhältnis mit der Natur finden.

Die Literatur hält einen großen und alten Erfahrungsspeicher bereit. Von Ovids Metamorphosen, über Melvilles Moby Dick bis zu Wolfgang Hilbigs Die Kunde von den Bäumen: immer wieder anders spiegelt sie das menschliche Entsetzen wie das Entzücken im Anblick der Natur. In den Lesungen von Corinna Harfouch, Fritzi Haberlandt und Anja Herden erkunden wir die Gärten, die Äcker und die Wüsten, und in Gesprächen mit Mi-Yong Becker, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Thomas Macho begeht der Schriftsteller Lukas Bärfuss die Phantasmen und sucht mit seinen Gästen eine neue Antwort auf die alte Frage: Was ist das, die Natur des Menschen?