Skip to main content

5 Fragen an... Eleanor Bauer

07. Sep. 2016

Title image

Anne van Aerschot

Ruhrtriennale: Ihre Performances bewegen sich an der Schnittstelle zwischen Tanz, Literatur und Musik. Können Sie etwas Genaueres zu Ihrer Arbeitsweise sagen?

Eleanor Bauer: Jedes Stück, das ich entwickle, reagiert auf unterschiedliche Probleme und Umstände. Für mich steht nicht das Ausdrücken eigener Probleme im Vordergrund. Wenn ich darüber entscheide, wie ich etwas ausdrücken möchte, dann ist das meist die Art und Weise an sich – welches Subjekt produziert welche Ausdrücke, wie kann man diese Subjektivität nutzen, diese Möglichkeiten sich in unterschiedlicher Weise auszudrücken und Probleme und Ideen darzustellen.

Am meisten bin ich dem Tanz verbunden, da ich dahingehend auch meine Ausbildung genossen habe. Aber ich schreibe auch und Musik war immer ein Teil meines Lebens. Mein Erfassen von Musik, analytisch und affektiv, fühlt sich in gewisser Weise angeboren an. Ich denke gerne musikalisch, wenn ich tanze, aber auch wenn ich mich mit Sprache beschäftige.

Meine Zusammenarbeit mit Chris Peck war in den letzten 13 Jahren unglaublich bereichernd, da wir es beide verstehen, Struktur und Konzept zwischen Musik und Tanz zu übertragen. Bei diesem Projekt im Speziellen haben Chris und ich uns dazu entschlossen den Fokus auf das Songwriting zu legen und nicht an der Zusammenarbeit von Tanz und Musik zu arbeiten. Uns interessierte vor allem wie sich Wörter und musikalische Kompositionen im Rahmen eines Songs treffen, um etwas sehr Zugängliches für viele Leute zu schaffen. Für mich war es wichtig etwas zu schaffen, zu dem die Menschen einen Bezug haben und von dieser Basis aus in eine komplexere Bedeutung überzugehen.

© Anne Van Aerschot

RT: In Ihren Performances wird immer wieder die Frage nach dem “Wir” aufgeworfen. Warum ist diese Frage in Ihrer Arbeit so wichtig?

EB: Eine Performance ist eine öffentliche Vorstellung, und solange man nicht ganz allein ein Solo produziert, ist es auch immer ein kollektiver Prozess. Es arbeiten viele Leute zusammen und produzieren ein Stück, das dann auch viele Leute erleben. Würde mich meine Arbeit in diesem Sinne nicht interessieren, würde ich etwas Verschlosseneres machen. Ich denke, es kommt immer der Punkt, egal ob ich mich mit Tanz, Performance, Schreiben, Singen oder der Dramaturgie eines Stückes beschäftige, an dem ich meine Ideen an die Öffentlichkeit bringe und dann muss ich hinterfragen, warum ich diese Idee mit anderen teilen möchte. Warum interessiert diese Idee andere Menschen, wie kann sie andere Menschen berühren, welche allgemeinen Probleme werden angesprochen? Ich kann zu meinem eigenen Vergnügen tanzen und singen – und das tue ich auch – aber es ist nicht notwendig, das mit anderen Leuten zu teilen. Wenn man also in eine Performance involviert ist, muss man sich diese Fragen stellen. Wir sind ja auch nicht alleine auf dieser Welt. Meine Ideen gehören nicht mir alleine, sie gehören zu meinen Erfahrungen mit meiner Umgebung. Meine Interessen beziehen sich auch auf meine Umwelt und interagieren mit ihr. Alles, was ich mache gehört somit auch dieser Welt, in der ich lebe.

© Anne Van Aerschot

RT: Sie sind seit 2013 Artist in Residence am Kaaitheater in Brüssel und haben bereits viele Produktionen weltweit gemacht. Was macht eine inspirierende Tanzplattform für Sie aus? Haben Sie in NRW schon mal eine Arbeit präsentiert?

EB: Ich denke eine inspirierende Tanzplattform beinhaltet immer die teilhabenden Menschen und die gemeinsame Zeit. Wenn sich interessierte Menschen treffen und gemeinsam Zeit verbringen, passieren Dinge: Ideen, Übungen und Wissen werden ausgetauscht. Das kann in einer Stadt passieren, in der die Lebenserhaltungskosten, die Lebensqualität oder die Unterstützung der Kultur dementsprechend sind, dass die Leute, die dort leben, es sich leisten können, sich gegenseitig ihre Zeit zu schenken. Das ist in Brüssel sehr oft der Fall. Das kann jedoch auch in einer kuratierten Runde der Fall sein, bei der verschiedene Leute für eine gewisse Zeit zusammengebracht werden. Ich war Teil der „Atelier“-Reihe auf PACT Zollverein in Essen, bei der verschiedene KünstlerInnen gemeinsam ein Wochenende verbrachten, um zu diskutieren und ihre Werke zu zeigen. Das war eine sehr inspirierende Plattform. Für mich ist es wichtig, dass Performance-KünstlerInnen sich nicht nur in Theaterräumen treffen und fertige Arbeiten sehen. Es ist auch wichtig, dass wir Methoden, Prozesse, Instrumente, Gedanken und Fragen teilen, um das Wissen, die Möglichkeiten und auch die Bedenken weiterzugeben, die hinter unseren fertigen Werken stecken. Dieser Austausch macht jeden einzelnen Künstler reicher und weniger isoliert in seiner eigenen Arbeit.

Ich habe bereits mehrmals hier in der Gegend gearbeitet. Ich wahr sowohl mit meinen eigenen Stücken als auch 2007 mit Mette Ingvartsen in „why we love action“ bei PACT Zollverein zu Gast. Bei der Ruhrtriennale habe ich mit Boris Charmatz in „Levée des conflits“ als Tänzerin gearbeitet. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern John Cages „Europeras“ bei der Ruhrtriennale gesehen zu haben und es war unglaublich. Es ist toll, experimentelle Arbeiten in dieser Form und Größe erleben zu dürfen. In diesem Jahr bin ich das erste Mal mit meiner eigenen Arbeit bei der Ruhrtriennale.

© Anne Van Aerschot

RT: Welche Art von Tanzprojekt würden Sie in Zukunft gerne verwirklichen?


EB: In letzter Zeit habe ich viel über die Art des Denkens in der Bewegung und in der Sprache nachgedacht und auch darüber, wie man Sprache durch die Subjektivität oder die Gedanken des tanzenden Körpers beeinflussen kann. Das nichtlineare Sinnliche, das Multi-Dimensionale, das Künstliche meiner Erfahrung wenn ich tanze, und wie achtsam und empfänglich ich mit meinen Sinnen bin, fühlt sich einzigartig an und ist im Bezug auf Bewegung und Tanz ganz speziell.

Da ich mich sehr für Sprache interessiere und es mir gefällt, mich durch Sprache auszudrücken, habe ich auch versucht Schrift und Sprache auf meinen tanzenden Körper zu übertragen und die Sprache näher zum Tanz zu bringen. Ich bewerbe mich übrigens bald für einen PhD zu diesem Thema. Woran auch immer ich als nächstes arbeiten werde, es wird wohl davon beeinflusst sein. Ich werde also noch mehr in die Richtung von „Meyoucycle“ gehen und Bewegung, Text, Musik und Visuals zusammenbringen – offen dafür, was für eine Art von Genre aus dieser Bewegung zwischen den Disziplinen resultieren kann.


RT: Wie bereiten Sie sich auf eine Show vor? Was passiert danach?


EB: An dem Tag an dem ich performe, habe ich gerne ein richtig anstrengendes Workout, um mich abzulenken. Ich esse gesund, viele Proteine am Morgen und vermeide Zucker. Vor meinem Auftritt mache ich gerne ein beruhigendes Warmup, etwas Meditatives oder ich konzentriere mich auf meinen Atem, um meine Energie zu erden und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich versuche nicht zu proben oder mir Teile meiner Show kurz vor der Performance anzusehen, um mich nicht zu verunsichern. Aber bei jeder Show gibt es ein kleines Ritual, das wir gemeinsam machen, um zusammenzufinden. Für „Meyoucycle” singen wir die Melodie von „so much to do” bevor die Türen geöffnet werden. Außerdem versuche ich vor der Performance nicht mehr als Choreografin des Stücks zu denken, sondern als Performerin. Was gemacht wurde ist gemacht und es ist Zeit darauf zu vertrauen, dass diese Entscheidungen die Richtigen waren. Gleich nach der Performance gehe ich zumeist duschen und dann trinken wir gemeinsam ein Bier. Für mich ist es sehr wichtig, diese harte Arbeit zu honorieren und die gemeinsame Arbeit wertzuschätzen, auch wenn nicht alles gut gegangen ist. Am nächsten Tag oder in den nächsten Tagen, schaue ich mir meistens noch einmal das Video an und kehre zurück in meine Rolle als Choreografin des Stücks. Ich mache mir Notizen über die Verbesserungen an denen wir arbeiten müssen. Manchmal, nachdem eine Performance schon vorbei ist, fallen mir Ideen dazu ein, obwohl ich schon mit etwas ganz anderem beschäftigt bin. Auch nach einer Premiere, also wenn ich eigentlich nicht mehr an einem Stück arbeite, arbeitet das Stück noch in mir weiter!

 

Tickets