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Seid umschlungen – Das letzte Festivalwochenende

30. Sep. 2015

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Ruhrtriennale 2015

Am letzten Septemberwochenende feierte die Ruhrtriennale ihren grandiosen Abschluss mit einer Weltpremiere, mit Geschichten aus der Fieberwelt - und mit einer musikalischen Überraschung.

Das finale Festivalwochenende wurde in der Gebläsehalle des Landschaftspark Duisburg-Nord mit einer Uraufführung eingeläutet. Hier erprobte die gefeierte belgische Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker eine  tänzerische Herangehensweise an „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ von Rainer Maria Rilke. Mit der Aussicht, dass sie bei der Uraufführung selbst auf der Bühne stehen wird, hatte sie im Mai bereits für drei ausverkaufte Vorstellungen gesorgt, sodass ein vierter Termin als Preview hinzugenommen wurde.

© Anne van Aerschot

Auf einer sehr reduzierten Bühne, die den eindrucksvollen Raum der Gebläsehalle zur Geltung kommen ließ, wurden die gesamten 26 Kapitel der Erzählung auf unterschiedlichen Ebenen rezitiert; mal im tänzerischen Duett mit Michaël Pomero, mal musikalisch untermalt mit Musik von Salvatore Sciarrino, auf der Querflöte gespielt von Chryssi Dimitriou. Um in den Bann der Geschichte gezogen zu werden, durfte das Publikum zunächst selbst die an die Wand projizierten Texte lesen. Eine spannende Auseinandersetzung an der Grenze zwischen Tanz, Literatur und Performance.

© Ruhrtriennale

Am Freitag haben die Bewohner in Duisburg-Marxloh eine musikalische Überraschung erlebt: Die Mitglieder von MusicAeterna unter Leitung von Teodor Currentzis gaben am Nachmittag ein spontanes Überraschungs-Konzert auf dem August-Bebel-Platz – bei freiem Eintritt und schönstem Sonnenschein. Als Mendelssohn-Bartholdys Violinkonzert angestimmt wurde, sammelte sich schnell eine Traube von Neugierigen um das Orchester herum. Und schon bald wurde es still, die Menschen, die aus dem Einkaufszentrum oder dem Bus strömten, blieben verdutzt stehen; Groß und Klein lauschten ehrfürchtig den ungewohnten, aber doch vertrauten Melodien. Dieser Moment stand als Geste der Umarmung stellvertretend für die diesjährige Ruhrtriennale.

© Edi Szekely

Auch das Refektorium öffnete noch ein letztes Mal seine Scheunentore. Die Performer Raymond Dudzinski und Michael Masberg erzählten Sam Grebs „Geschichten aus der Fieberwelt“ in einer außergewöhnlichen Lesung. Schon die sechs Bierflaschen und die Wohnzimmer-Atmosphäre auf der Mini-Bühne versprachen einen entspannten Wochen-Ausklang. In Decken eingemummelt tauchten die ZuhörerInnen in eine letzte Höllenfahrt der Ruhrtriennale ein.

© Atelier Van Lieshout

Doch langsam kehrt der Herbst ein, und mit dem Festivalende werden auch die Lieshout-Skulpturen abgebaut, die in den vergangenen sechs Wochen zum pulsierenden Ort des Austauschs, zum Konzertsaal, zur Partylocation, zum Kino oder Lesesaal – eben zu einem richtigen Festivalzentrum – geworden sind. Ein aufregender Sommer liegt hinter uns, der uns hoffnungsvoll und freudig auf die Saison 2016 blicken lässt.

»Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Es muss also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.« (Rainer M. Rilke)


Seid umschlungen!