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„Projecting [Space[“: Einblicke in die Körper-Werkstatt

28. Jun. 2017

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Laura Van Severen

Die Choreografin Meg Stuart will in Dinslaken ein neues Verhältnis von Raum und Körpern aufbauen. Jeroen Peeters, Dramaturg der Produktion, gibt an dieser Stelle einige persönliche Gedanken aus dem Entstehungsprozess wieder.

© Ruhrtriennale

„Das Theater ist ein wunderbarer Ort zum Träumen“, sagt Meg Stuart in ihrer Soloaufführung „Hunter“, die vor drei Jahren herauskam, um gleich etwas ironisch fortzufahren: „Stell dir vor, dieser Ort wäre nicht immer ein Theater.“
Nicht immer ein Theater. Zuvor hatte Meg Stuart bereits von Online-Kreativität gesprochen als Vorbild für andere Formen von Wirklichkeit; von der rigiden Natur der Architektur und des Stadtbilds, die nur eine einzige Funktion haben; von Leuten, deren Wege sich in der U-Bahn oder im Supermarkt kreuzen, die sich aber nicht wirklich begegnen. „Stell dir vor, dieses Theater wäre ein Ort, wo die Leute einmal im Monat Blut spenden. Oder wo Menschen zusammenkommen, um gemeinsam all ihre Ikea-Möbel zu verbrennen, in einer Art von rituellem Statement. Ganz verschiedene Aktionen.“
Ich erinnere mich, wie stark das Publikum auf diesen Vorschlag reagierte, sich sein Theater anders vorzustellen, und wie die Menschen im Foyer nach der Vorstellung ihre eigenen Ideen diskutierten. Vielleicht war das der erste Funke: ein kollektiver Traum, der aus dem Theater hinausfloss und sich langsam verbreitete, getragen von all den Anwesenden.

Meg Stuart © Eva Würdinger

Wie stellen wir uns Theater und andere Kunsträume heute und morgen vor? Wie gestalten wir diese Begegnungsstätten, diese Laboratorien unseres Zusammenlebens? Während der vergangenen Jahre sind diese Fragen in unseren Gesprächen immer wieder aufgetaucht – mit der Choreografin Meg Stuart und dem Bühnenbildner Jozef Wouters und mit vielen anderen, die nun an „Projecting [Space[“ mitarbeiteten. Einen Monat lang wird die Theatergruppe Damaged Goods vor Ort in der Zentralwerkstatt Lohberg in Dinslaken arbeiten und diese verwandeln in einen Raum, eine Umgebung für Vorstellungskraft und für Experimente mit kollektiven Praktiken der Begegnung und der Produktion – und wo diese Aktivitäten auch mit anderen geteilt werden sollen.
Bei Durchsicht meiner Notizen fällt mir auf, wie oft während der ersten Probenphasen auf Hitze Bezug genommen wurde. Wir haben zugegebenermaßen viel Zeit in kalten Industriegebäuden verbracht, aber die Umwandlung von Energie wurde auch ein eigenes Recherchethema, zu dem wir viel gesammelt haben, um damit das schwelende Lagerfeuer, das so ein Probenprozess ist, anzufeuern.

Jozef Wouters, der sich schon immer für die Schönheit prekärer Strukturen interessiert hat, fand dieses Bild dafür: „Für mich ist der Sinn eines Lagerfeuers, dass man etwas aufbaut, das man vorhat zu verbrennen – es muss nicht stabil sein oder Jahre halten. Etwas anzuzünden bedeutet, es zu konsumieren, es zu verbrauchen. Das hat einen hedonistischen Aspekt. Je länger das Feuer brennt, desto unsichtbarer und kleiner wird die Konstruktion, und dann wird auch die Gruppe von Leuten, die darum herumsitzen, kleiner, bis alle zusammenhocken und Stockbrot essen.“
Bei den Proben diskutierten wir den Einfluss von Energiequellen auf kulturelle Produktion. Nicht so sehr von Holz und Kohle, sondern von dem, was Körper dazu antreibt zu tanzen, wahrzunehmen, zu beobachten. „Wie steht es um die Energie von Heilpraktiken? Oder die Hitze einer großen Anzahl von Körpern bei einer Rave-Party? Wie können wir die Energie des Publikums steigern? Ist Empfindsamkeit eine Energiequelle? Und Fiktion?“

Jozef Wouters © Iris Janke

Man stelle sich eine Gruppe von hochsensiblen Körpern vor, die eine ehemalige Bergwerksfabrik betreten. Was passiert, wenn diese Körper sanft über einen Betonboden streifen? Würden sie dadurch ortsbezogen? Die Bedingungen von Material und Raum würden zu Partnern in dieser Begegnung von unterschiedlichen Oberflächen und Begehrlichkeiten – menschliche Körper, Maschinen, Holz, Stein und Stoff, ferner Stadtlärm oder ein Lichtstrahl.
Vielleicht würde sie sich zeigen in abstrakten Linien oder in langsamen Tänzen im Gleichschritt. Oder vielleicht in anrührender Aufmerksamkeit für die kleinsten Teilchen im Raum, wenn jemand eine Handvoll Staub aufwirbeln ließe. Was würden diese Begegnungen uns über die Umwandlung von Energie sagen, und über Beziehungen der Fürsorge?

„Projecting [Space[“ feiert am 31. August 2017 in der Zentralwerkstatt der Zeche Lohberg Premiere. Alle Infos gibt es hier.

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