Helmut Lachenmann

Der Komponist Helmut Lachenmann ist heute eine der profiliertesten und einflussreichsten Persönlichkeiten der internationalen Musikszene. Werke wie Mouvement - vor der Erstarrung (1983/84) oder Zwei Gefühle - Musik mit Leonardo (1992) sind mittlerweile fest im Repertoire vieler internationaler Ensembles für zeitgenössische Musik und wie viele seiner Werke im In- und Ausland bei Festivals und Konzertreihen zu hören. Seine Klangfindungen und neuen instrumentalen Spielweisen sind nach seinen eigenen Worten von den nachfolgenden Komponistengenerationen inzwischen geradezu "touristisch erschlossen". Dennoch bleiben Aufführungen seiner großen Orchesterwerke wie Air (1968/69/94), Kontrakadenz (1970/71) oder Schwankungen am Rand (1974/75) ebenso wie die seiner Oper Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (1990-96) wegen der außerordentlichen Herausforderungen, die sie sowohl an die Ausführenden und die produzierenden Institutionen wie auch an die Zuhörer stellen, ein eher seltenes Ereignis.

Helmut Lachenmann wird 1935 als sechstes von acht Kindern in einer evangelischen Pastorenfamilie in Stuttgart geboren. Er studiert zunächst an der Musikhochschule seiner Heimatstadt bei Johann Nepomuk David Theorie, Kontrapunkt und Kompositionslehre und bei Jürgen Uhde Klavier, bevor die Begegnung mit Luigi Nono bei den Darmstädter Ferienkursen 1957 seinem Leben eine entscheidende Wendung gibt. Er geht nach Venedig und wird für einige Jahre Nonos zunächst einziger Schüler. Die ersten öffentlichen Aufführungen seiner Werke finden 1962 bei der Biennale Venedig und bei den Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt statt. Nach einer Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg unterrichtet Lachenmann als Professor für Komposition an den Musikhochschulen in Hannover (1976-1981) und in Stuttgart (1981-1999). Er leitet regelmäßig Seminare, Workshops und Meisterklassen im In- und Ausland und erhält zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 1997 den Ernst von Siemens Musikpreis, 2004 den Royal Philharmonic Society Award London und 2008 den Berliner Kunstpreis sowie den Leone d'oro der Biennale di Venezia. Im Mai 2010 wird Lachenmann durch den Prince of Wales zum Fellow der Royal Academy of Music London ernannt.
Lachenmann ist Ehrendoktor der Musikhochschule Hannover und Mitglied der Akademien der Künste in Berlin, Brüssel, Hamburg, Leipzig, Mannheim und München.

Helmut Lachenmanns kompositorische Praxis ist von Beginn an eng verknüpft mit der theoretischen Reflexion ästhetischer, technischer und gesellschaftspolitisch-ethischer Fragen des Komponierens. Seine zahlreichen Aufsätze, Interviews, Werkkommentare und Vorträge sind unter dem Titel "Musik als existentielle Erfahrung" (1994 / Neuausgabe 2004) erschienen. Die Errungenschaften des seriellen Komponierens in der Tradition Schönbergs, Weberns und Nonos werden in Lachenmanns Musik hinsichtlich der physikalischen Voraussetzungen und der konkreten Hervorbringung der Klänge weiterentwickelt und für die sinnliche Wahrnehmung des Hörers geöffnet.
Zugleich verweigert sich seine Musik vorgegebenen, an Expressivität orientierten Hörerwartungen, indem sie auf der kreativen Anstrengung eines Hörens insistiert, das die konkrete sinnliche Erscheinung gewissermaßen abtastend wahrnimmt. "Der Begriff der Wahrnehmung ist abenteuerlicher, existentieller als der des Hörens: Er setzt alle Vorwegbestimmungen, alle Sicherheiten aufs Spiel."
Sein im Untertitel "Musik mit Bildern" genanntes "Mädchen mit den Schwefelhölzern" bündelt alle diese Aspekte seines Komponierens in seinem umfangreichsten Werk.

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