Anne Teresa De Keersmaeker: En Atendant

Die Ruhrtriennale hat Anne Teresa De Keersmaeker eingeladen, ihre beiden Tanzstücke, En Atendant und Cesena, im Spannungsbogen von Sonnenuntergang und Sonnenaufgang zu präsentieren. Schauplatz dieser einzigartigen Doppelperformance ist die verglaste Bochumer Jahrhunderthalle mit ihrem natürlichen Wechselspiel von Hell und Dunkel.

Mit En Atendant wagt die belgische Pionierin des zeitgenössischen Tanzes Anne Teresa De Keersmaeker einen weiteren Schritt in der Auseinandersetzung mit dem Spannungsverhältnis von Musik und Tanz. Nach Bach, Webern, den Beatles und Mahler bildet hier die Ars Subtilior den Ausgangspunkt.

In Avignon herrschen die Päpste, in Europa die Pest. Uraufgeführt in einem Klosterkreuzgang und enthusiastisch gefeiert, wenden sich De Keersmaeker und ihre Kompanie ROSAS dem 14. Jahrhundert mit seinen politischen und sozialen Verheerungen zu.

Die Mittel sind minimalistisch: eine blanke Bühne, das dämmerige Licht des sich neigenden Tages, vier Musiker und acht Tänzer. Letztere fallen, krümmen sich, suchen Halt, erheben sich wieder, stürzen erneut. Es herrscht stummes, harmonisches Chaos, ein irritierend erotischer Schwebezustand zwischen Leben und Tod. Die Bühne wird zu einem Raum, in dem sich archetypische Ängste breit machen und geradezu körperlich erfahrbar werden. En Atendant ist eine so intensive wie radikale Auseinandersetzung mit der jederzeit möglichen Katastrophe. Ein Tableaux dansant von verletzlicher, berührender Schönheit.

Ars Subtilior ist ein Musikstil des ausgehenden 14. Jahrhunderts. Seine improvisatorische Ausformung und Interpretation durch die Musiker ergeben ein spannungsvolles Spiel individuell gezeichneter Stimmen. Schwankende Harmonik und polyrhythmische Struktur entfalten ein expressives Klangbild, dessen Erfahrung die Ars Subtilior für den Hörer in die Nähe zeitgenössischer Musik rückt.