Toshio Hosokawa

Der Komponist Toshio Hosokawa verbindet in seiner Musik auf eine höchst persönliche Weise die Musik der westlichen Avantgarde mit traditioneller japanischer Musik und Ästhetik. In seinen Werken entfalten sich fließende Klänge in unendlich feinen Differenzierungen. Oft gestaltet Hosokawa dabei weiträumige Vorgänge des allmählichen An- und Abschwellens und immer wieder finden auch Momente des Schweigens und der erfüllten Stille Eingang in seine Stücke. Die Erfahrung der von Ereignis zu Ereignis fortschreitenden Zeit, die für die abendländische Musik charakteristisch ist, weicht so dem Erlebnis einer scheinbar grenzenlos gedehnten Zeit, das eher Vorstellungen des Zen-Buddhismus entspricht. Bei aller Betonung des japanischen Elements in Hosokawas Musik ist der Komponist aber auch in der westlichen Musik verwurzelt und wurde etwa durch Schubert und Webern tief beeinflusst.
Zur traditionellen japanischen Musik gelangte Toshio Hosokawa überraschenderweise auf dem Umweg über Europa. Die Ausbildung und die Interessen des 1955 in Hiroshima geborenen Künstlers, der mit fünf Jahren Klavierunterricht bekam und zunächst in Tokio Komposition und Klavier studierte, waren zunächst auf die westliche Kunstmusik gerichtet. Erst der Kontakt mit Isang Yun und vor allem mit Klaus Huber, bei denen Toshio Hosokawa von 1976 an in Berlin und Freiburg Komposition studierte, weckte sein Interesse an der Musik seines Geburtslandes. Anfang der 1980er Jahre begann er, sich intensiv mit der traditionellen japanischen Musikkultur auseinanderzusetzen. Besonders anregend wirkte das Erlebnis von Aufführungen japanischer Musik in Berlin im Jahr 1982. Hosokawa studierte die verschiedenen Stilrichtungen japanischer Musik und deren Instrumentarium und erlernte etwa auch das Spiel der japanischen Mundorgel Sho. Diese Beschäftigung war der entscheidende kreative Impuls, der Hosokawa Mitte der 1980er Jahre zur Entwicklung seines charakteristischen Kompositionsstils führte.
Bald stellte sich zunehmende Anerkennung ein. So wurde er 1990 zum ersten Mal als Dozent bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt berufen, an denen er als Student seit 1980 regelmäßig teilgenommen hatte. Er erhielt Kompositionsaufträge von bedeutenden Orchestern und Institutionen und wurde mit der Leitung mehrerer Festivals beauftragt. Spätestens seit der Uraufführung seiner ersten Oper Vision of Lear nach Shakespeare im Jahr 1998 gilt Hosokawa als eine der wichtigs ten Stimmen zeitgenössischer Musik in Asien, was sich auch in zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen ausdrückt, die ihm zuerkannt wurden. So ist Toshio Hosokawa seit 2001 Mitglied der Berliner Akademie der Künste und war mehrfach Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin. In den letzten beiden Jahren wurden mehrere große Orchesterwerke Hosokawas unter anderem von den Berliner Philharmonikern, dem Cleveland Orchestra und dem Mahler Chamber Orchestra uraufgeführt. Bei der Ruhrtriennale 2011 wurde seine Oper Hanjo erfolgreich aufgeführt. Seine neueste Oper Matsukaze, in der ein Stoff aus dem traditionellen japanischen No-Theater mit den Mitteln zeitgenössischen Tanzes auf die Bühne gebracht wird, war 2011 in der Inszenierung von Sasha Waltz an der Berliner Staatsoper zu sehen.