RuhrTriennale
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Dubistmeinichbindein Yesterday's tomorrow - Die Songs des Walther von der Vogelweide

Konzept, Gesang:
Komposition, Arrangement:
Flöte, Klarinette:
Bratsche:
Gitarre, Mandolonchello:
Premiere:
20. September
Beginn:
20:00
Spieldauer:
ca. 1 Stunde 30 Minuten
Vorstellungen:
21., 22. September
Beginn:
20:00
Spieldauer:
ca. 1 Stunde 30 Minuten
Spielstätte:
Preise:
einheitlich
25 €

Sieben Städte stritten einst um die Heimat Homers - vierzehn deutschsprachige Landschaften, darunter Franken, Niederösterreich, Tirol, Schwaben-Rheinfranken, Böhmen und Ungarn streiten um den Geburtsort des Dichters Walther von der Vogelweide, dessen Lebensdaten nur bruchstückhaft bekannt sind.
Die biografische Faktenlage mag mager sein - die poetische Hinterlassenschaft Walthers ist es nicht: Er hinterließ ein Werk von insgesamt fünfhundert Strophen Lyrik. Doch nicht die schiere Menge dieses OEuvres sicherte diesem Dichter den Nachruhm, es ist der einzigartige lyrische Reichtum, der Walther von der Vogelweide zum wichtigsten Poeten des Mittelalters machte, zum souveränen Beherrscher und originellen Neuerer der verschiedenen Liedgattungen des Minnesangs und auch zum eigentlichen Begründer und Meister der deutschen Spruchdichtung bzw. des politischen Gedichts. Walther, der übrigens als einer der ersten Berufsdichter gilt, hatte durchaus das Selbstbewusstsein, das ihn in die Nähe heutiger Singer / Songwriter-Stars rückt: In seinen Texten beansprucht er selbst eine subjektive Position und erlaubt dem Publikum auch, die Frau, die er besingt, auf deren Schönheit, Würde und Tugend hin zu überprüfen.
Sanda Weigl und Anthony Coleman nehmen sich der Lyrik dieses Ausnahmedichters an und führen sie in die musikalische Welt des Big Apple. Coleman und Weigl porträtieren die alten Verse in neuen Kompositionen, die der erzählerischen Dimension von Walthers Sprache den musikalischen Raum geben, in dem wir einen modernen Dichter erkennen können.

Walther von der Vogelweide – wer hätte den Namen noch nicht gehört?

Bilder eines verliebten Minnesängers, der schmachtend unter dem Burgfenster steht, tauchen auf. Doch diese Vorstellungen stammen aus Hollywood, sie entsprechen ganz und gar nicht der mittelalterlichen Realität. Walther – und ebenso der Minnesang insgesamt – waren ganz anders! Das mittelhochdeutsche Wort ‚Minne‘ bedeutet Liebe, oder genauer: das sehnsuchtsvolle Denken an jemand. Das heutige englische Wort ‚mind‘ ist eng mit ‚Minne‘ verwandt. Doch ähnlich wie in modernen songs muss die jeweilige persönliche Befindlichkeit des Sängers nichts mit der Thematik eines Liebesliedes zu tun haben. Man kann von Liebeskummer singen und trotzdem gerade glücklich und frisch verliebt sein – und umgekehrt. Minnelieder sind sehr genau durchdachte literarische Kunstwerke, in denen aus unterschiedlichen Perspektiven – etwa aus der des unglücklich Verliebten oder aus der eines überglücklichen Mädchens, aber auch aus der eines erfolgreichen Eroberers – über das älteste Thema der Welt vor einem fachkundigen Publikum an mittelalterlichen Höfen gesungen wurde. Über Walther selbst erfahren wir aus seinen Liedern also so gut wie nichts. Wo er gesungen hat, wann er genau lebte, all das ist ziemlich unsicher. Wir können lediglich vermuten, dass er etwa zwischen 1190 und 1230 wirkte und an verschiedenen Höfen im deutschen Sprachraum auftrat.
Neben der Minnelyrik beherrschte Walther noch weitere lyrische Genres so souverän wie kaum ein zweiter Autor des Mittelalters. So kann er beispielsweise auch als Erfinder der politischen Lyrik in deutscher Sprache gelten. Was uns von Walthers riesigem Werk geblieben ist, sind allerdings nur die sehr viel später durch andere aufgezeichneten Texte seiner Lieder. Wie Walthers Lieder geklungen haben, wissen wir nicht. Es sind fast keine Melodien erhalten. Das ist zwar bedauerlich, hat aber auch Vorteile. Denn weil die Thematik seiner Lieder zeitlos ist, kann sie jede Zeit mit ihren eigenen musikalischen Mitteln darstellen; gestern, heute und morgen – yesterday’s tomorrow.

Von Bernd Bastert

Eine Produktion der RuhrTriennale.