RuhrTriennale
DeutschEnglish

Saison 2007 Die Eroberung der Zukunft im Rückblick

Die Erfindung der Moderne dahin vorzuverlegen, wo man sie vielleicht nicht auf Anhieb vermutet, daran haben sich die Künstler und das Publikum der Triennale inzwischen gewöhnt. Nach Romantik und Barock konzentriert sich das Programm der Saison 2007 auf die Epochenschwelle zwischen spätem Mittelalter und früher Neuzeit. Autoren, Regisseure und Musiker sind eingeladen, die Zukunft im Rückblick zu erobern.

Überlieferte Mythen und Legenden treffen auf moderne Fiktionen: König Artus auf die Avatare der virtuellen Welt, Aber- und Irrglaube auf die Illusionsbereitschaft der Gegenwart. Das klingt hochtrabend. Doch wenn gelten soll, dass unsere Moderne im Mittelalter erfunden wurde, dann ist es vielleicht besser, sich mit kleineren Einheiten, vielleicht auch mit ein paar Klischees aus dem Kosmos des Mittelalters zu beschäftigen.

Immerhin haben wir es mit einem Zeitraum von rund 1000 Jahren zu tun. Das Mittelalter tendiert zum Sprichwort. Wir bringen hier zahlreiche Assoziationen und Fantasien unter: Finsternis, Askese, Grausamkeit. Ritter, heilige Jungfrauen und geheimnisvolle Hexen sind gepanzerte Zukunftsfiguren, in die wir unsere eigene Schutzbedürftigkeit hineinprojizieren. Eine Rüstung ist eine coole Maske, hinter der viele Ängste in Schach gehalten werden können: Unsichtbar bleibt die Angst vor Berührung, vor Nähe. Mythen sind der unaufhörliche Versuch, sich die hinterlistige Wirklichkeit vom Leib zu halten, um das Bild, das man sich von seiner Zeit und von sich selbst macht, besser zu erkennen. Verleitet werden soll in dieser Saison zur Flucht vor der sprichwörtlichen Finsternis des Mittelalters. Denn vielleicht ist das Mittelalter, so wie wir es zu kennen glauben, ein stabiler Irrtum. Und um an diesem Irrtum zu rütteln, geht man am besten dorthin, wo er begangen wurde.

Die Romantische Idee, Der Mensch des Barock, Die Eroberung der Zukunft im Rückblick: Wir haben versucht, mit dem Programm der RuhrTriennale 2005-2007 ein Plädoyer für die besondere Rolle der Geschichtlichkeit des menschlichen Geistes und seiner jeweiligen Umgebung zu halten. Dabei standen vor unseren Augen immer zwei Wahrheitssuchende: der Künstler und der Zuschauer. Zwei, die sich unablässig von ihren jeweils ganz eigenen Überzeugungen und Wertvorstellungen leiten lassen. Zwei, die sich öffnen für die Vielfalt menschlicher und ästhetischer Erfahrungen. Zwei, die uns konfrontieren mit ihren Intuitionen, Fantasien und Lügen, mit ihrer intellektuellen Tätigkeit und Urteilskraft, eben mit allen Schockwellen ihres inneren Ichs. Ohne sie, ohne ihre Subjektivität würde es keine Kommunikation geben, kein Spektakel, keine Szene, keinen Terror der Erkenntnis. Jeder würde mit sich selbst sprechen. Wie entsetzlich langweilig.

Von dem rumänischen Philosophen E. M. Cioran stammt folgender Hinweis: Das einzig sichere Zeichen, dass einer alles verstanden hat, ist, dass er besinnungslos weint. Also dann: Keinen Applaus ohne Tränen.